Greifswald. Ein
nicht unbeträchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland ist
Pachtland im Besitz von Kirchen, Kommunen, Städten und Bundesländern. Nach
welchen Kriterien wird dieses Pachtland eigentlich vergeben? Wie kann der Umgang mit öffentlichem Land in Zukunft
umweltgerecht und enkeltauglich gestaltet werden?
Verbreitet ist bislang die unhinterfragte Verlängerung bestehender Pachtverträge – unabhängig davon wie umwelt- und klimagerecht diese Flächen bewirtschaftet werden. In Greifswald hat es das zivilgesellschaftliches Bündnis „Unser Land schafft Wandel“ erstmals geschafft, neue Kriterien für die Vergabe von Pachtland durchzusetzen, das der Hansestadt Greifswald gehört. Im Gespräch mit Karin Vorländer vom IWE erläutert Björn Pasemann, Mitinitiator des Aktionsbündnisses, die Anliegen des Greifswalder Leuchtturmprojektes.
Das
Aktionsbündnis „Unser Land schafft Wandel“ hat im November 2019 im
Stadtparlament von Greifswald die Neuausrichtung der Vergabe der insgesamt 4700
Hektar landwirtschaftlichen Pachtlandes in Kommunalbesitz durchgesetzt. Wie kam
es dazu?
Maßgeblich initiiert wurde das Aktionsbündnis von der Finc Foundation, einer privaten lokalen Naturschutzorganisation aus Greifswald, die auch international tätig ist. Im Frühjahr 2019 schlossen sich Bürgerinnen und Bürger Greifswalds und verschiedene Umweltgruppen zusammen, wie etwa Nabu, Greenpeace, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, das Bündnis Junge Landwirtschaft, Fridays for Future und Climate Justice, alles Gruppen, die in Greifswald aktiv sind. Aber es musste eine Organisation geben, die die Situation aufs Tapet brachte und die Möglichkeiten aufzeigte, die wir in Greifswald haben. Das war in diesem Fall Finc, zu der ich gehöre.
Wie
ist das Thema einer gemeinwohlorientierten Vergabepraxis von Pachtland in den
Fokus gekommen?
Uns treibt das Thema schon länger um. Wir beobachten
negative Auswirkungen auf die Biodiversität rund um Greifswald, die hinlänglich
nachgewiesen sind. Wir sehen ausgeräumte Landschaften, riesige Ackerschläge
ohne dass da Hecken oder Bäume vorhanden sind, viel Pestizid-Einsatz und das
Verschwinden vormals typischer Tiere und Pflanzenarten. Der Greifswalder Fluss
Ryck lädt auch nicht gerade zum Baden ein.
Es wurde bekannt, dass die Stadt und die Universität
Greifswald Land besitzen. Wir wollten, dass die Eigentümer öffentlichen Landes ihrer
Verantwortung gerecht werden. Es sollte anerkannt werden, dass öffentliches
Land das Land aller Bürgerinnen und Bürger ist. Das heißt, es geht dabei um das
Landeigentum der Städte und Gemeinden, aber auch der Bundesländer. Wir wollen,
dass dieses öffentliche Land im Sinne des Gemeinwohls und zukünftiger
Generationen bewirtschaftet wird. Dazu gehört dann auch, dass die gesamte
Vielfalt der Ökosystemleistungen erhalten bleiben soll und dass auch lokal
anerkannt wird, dass die Landnutzung innerhalb planetarer Grenzen stattfindet.
Wer
hat bislang das Land bearbeitet und genutzt?
Da gibt es verschiedene landwirtschaftliche Betriebe
von bäuerlich kleinen, konventionellen Betrieben bis zu industriellen 3000
Hektar großen Betrieben, die dann teilweise auf städtischen Flächen
wirtschaften. Nur 8,5 Prozent der städtischen Flächen werden bisher ökologisch bewirtschaftet.
Welche
konkreten Forderungen zur Landvergabe hat das Bündnis aufgestellt?
Wir wollen, dass die öffentlichen Landeigentümer ihrer
Verantwortung nachkommen. Die Landschaft sollte all ihre Funktionen erfüllen
und nicht nur den höchstmöglichen Ertrag bringen. Einerseits soll Land der
Produktion hochwertiger Nahrung dienen. Es soll andererseits Lebensraum für
Menschen und Habitat für Tiere und Pflanzen sein. Gerade öffentliche Flächen
sollten nicht nur dazu dienen, möglichst große Pachteinnahmen zu generieren.
Über die Pachtpreise soll auch reguliert werden können, dass Landwirte eine
Chance haben, naturverträglich und auskömmlich zu wirtschaften. Ganz konkret
gefordert haben wir, dass die Landvergabe reformiert wird. Wir haben die
Einführung von ökologischen und sozialen Kriterien bei der Landvergabe
gefordert, dass über diese Landvergabe gewährleistet wird, dass die Betriebe
zum Zuge kommen, deren Wirtschaftskonzept einen besonderen Mehrwert für die
Gesellschaft bringt. Wichtig war uns, dass die übliche intransparente Praxis
der uneingeschränkten Weiterverpachtung beendet wird. Nach Ablauf eines 12-jährigen
Pachtvertrages sollen die Flächen neu ausgeschrieben werden und Pachtinteressenten
können sich darauf bewerben. Dazu werden dann die neuen Kriterien abgefragt.
Was
bringt denn nach den neuen Kriterien Punkte bei der Landvergabe?
In dem neuen, klaren Kriterienkatalog wird eine auf
Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtete Bewirtschaftungsweise
berücksichtigt. Es gibt Punkte für Ökolandbau und Betriebe, die Biodiversitätsmaßnahmen
umsetzen, wenn etwa mindestens auf zehn Prozent der Flächen Blühstreifen,
Brachen, Gewässerschutzstreifen, extensive Weiden oder Lerchenfenster angelegt
werden. Es gibt einen ganzen Katalog von Naturschutzmaßnahmen, die zusätzlich
für die Flächen festgelegt werden sollen. Es wird nicht mehr nach Höhe der
Pacht, sondern nach Konzept entschieden. Darunter fällt dann auch, dass Junglandwirte
und Existenzgründer bevorzugt werden sollen. Auch innovative Konzepte, wie solidarische
Landwirtschaft, werden unterstützt. Ausschlusskriterium ist der Einsatz von
gentechnisch veränderten Organismen und Massentierhaltung. Der Bewerber muss im
Pachtgebiet ortsansässig sein.
Gibt
es ein Vorbild für Ihren Kriterienkatalog?
Wir waren im Gespräch mit der Arbeitsgemeinschaft
bäuerliche Landwirtschaft und haben auch auf die Evangelische Kirche in
Mitteldeutschland geschaut, die ein Punktesystem hat, welches für uns aber nicht
ausreichend war, weil dort Biodiversität und Ökologie nicht genügend ins
Gewicht fallen Aber an deren grundsätzlichen Vorgehensweise haben wir uns
orientiert.
Gab
es Widerstände ?
Veränderungen sind häufig anstrengend. Die zuständigen
Stellen in der Stadtverwaltung waren anfangs nicht gerade begeistert. Wir
wissen bis heute immer noch nicht, wo genau die stadteigenen Pachtflächen
liegen. Einige der großen industriellen Agrarbetriebe haben im Vorfeld stark
gegen die Vorschläge mobilisiert und konnten den konservativen Block im
Stadtparlament für den Erhalt des Status quo gewinnen. Da wurden Briefe
geschrieben, Lobbyarbeit gemacht, Einzelgespräche geführt. Da geht es um Besitzstandswahrung
und darum, eine Veränderung bei der Landvergabe zu verhindern.
Wir dagegen haben versucht, dass die Bevölkerung von
der Thematik was mitbekommt. Wir haben Infostände gemacht, wir haben eine
Petition gestartet, um die Dringlichkeit zu verdeutlichen und die Bevölkerung
zu sensibilisieren.
Wie
bleiben Sie mit denen im Gespräch, die weiter ablehnend sind? Die Abstimmung in
der Bürgerschaft war ja mit 24 zu 16 Stimmen durchaus knapp.
Wir sind grundsätzlich dialogbereit. Allerdings muss in der Landwirtschaft ein
Wille zur Veränderung erkennbar sein; als Grundlage, dass in der Fläche wirklich
etwas passiert. Es muss anerkannt werden, dass es bei der bisherigen
Bewirtschaftungspraxis Probleme gibt, aber das wird ja momentan leider häufig
noch geleugnet.
Zielt
ihre Initiative auf zertifizierten Öko-Anbau oder ist in Ihren Augen auch eine
konventionelle Landwirtschaft akzeptabel, die womöglich nachhaltiger und
ökologischer als bisher arbeitet?
Das ist eine spannende Diskussion. Ich persönlich bin
der Meinung, dass wir unbedingt mehr Ökolandbau in der Fläche brauchen. Es sind
ja in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 20 Prozent bis 2030 angestrebt. Das
ist eine Zielmarke, aber das ist durchaus zu wenig.
Konventionelle Landwirtschaft, bei der viele Naturschutzmaßnahmen umgesetzt
werden, kann aber durchaus hilfreich sein: Kleinere Schläge, Hecken,
Randstreifen. Es muss nicht alles öko sein. Aber wir brauchen grundsätzlich
einen Paradigmenwechsel. Wir müssen weg davon, dass der Ökolandbau als eine Art
Premiumlandwirtschaft wahrgenommen wird. Wir müssen dahin kommen, dass eine
naturverträgliche, enkeltaugliche Landwirtschaft der Standard ist.
Auch
die Universität Greifswald und die Kirche sind Landbesitzer. Haben Sie sich
auch an die gleichermaßen gewandt?
Wir haben uns zunächst auf die Stadt konzentriert,
weil dort am offensichtlichsten wird, dass es sich um das Land der Bürgerinnen
und Bürger handelt. Nichtsdestotrotz sind wir auch im Gespräch mit der Kirche
und auch in der Universität ist ein Prozess angestoßen worden, der von den
Studierenden ausgeht. Die Vollversammlung und der Asta haben sich dafür
ausgesprochen, dass dort ein ähnlicher Prozess stattfinden muss.
Öffentliches
Land gibt es nicht nur in Greifswald. Wie also weiter?
Ich ermutige dazu, in allen Städten nachzuhaken und beim
Liegenschaftsamt nachzuforschen, ob und wie viele Flächen in öffentlicher Hand sind.
Es wäre nötig, im Bundestag eine kleine Anfrage zu starten, um wirklich einen
Überblick zu bekommen. Es geht ja nicht nur um die kommunalen Flächen, es geht
ja auch um die Landesflächen. Brandenburg beispielsweise hat 30.000 ha
landwirtschaftliche Flächen im Eigentum und die Frage ist, wie soll in Zukunft
mit diesen Flächen umgegangen werden. Das muss stärker diskutiert werden. Wir
wollen auch andere Gruppen inspirieren lokal aktiv zu werden und vor Ort Druck
zu machen. Das gehört auf die Agenda, zu schauen, wie wird mit öffentlichen
Flächen umgegangen. Wir haben sehr positive Rückmeldungen bekommen.