„Rettet den Boden!“ von Florian Schwinn

„Rettet den Boden!“ von Florian Schwinn

Die Böden unter unseren Füßen sind unsere Lebensgrundlage. Wir leben auf und von ihnen. Ein Millimeter fruchtbarer Boden kann dreihundert Jahre zum Aufbau benötigen. Waren die Landwirte vor der Industrialisierung noch darauf angewiesen, Humus aufzubauen, um die Böden lebendig zu erhalten, nutzt die moderne Landwirtschaftsindustrie den Boden nur noch als bloßes Substrat, in das die Überproduktion von Exkrementen der industriellen Fleischfabrikation als Dünger eingebracht wird.

Die Gesundheit der Böden und der Menschen, die seine Früchte täglich essen, ist dabei vollkommen aus dem Blick geraten. Florian Schwinn fordert in seinem neuen Buch „Rettet den Boden!“ dringend, eine Humuswende zur Rettung der Böden einzuleiten. Denn wenn die Böden erst einmal abgetötet sind, brauchen wir nicht mehr umzudenken – dann verliert auch die biologische Landwirtschaft der Zukunft den Boden unter den Füßen.

Über den Autor: Florian Schwinn (Jahrgang 1954) ist Journalist im Bereich Politik und Wissenschaft. Er hat für Print und Hörfunk gearbeitet, Radiofeature produziert und moderiert beim Hessischen Rundfunk die mehrfach ausgezeichnete Radiosendung „Der Tag“. Seit vielen Jahren bearbeitet er Umweltthemen und kümmert sich um die Ausbeutung und den Schutz der natürlichen Ressourcen und unser zwiespältiges Verhältnis zu den „anderen“ Tieren.

Rettet den Boden! Warum wir um das Leben unter unseren Füßen kämpfen müssen“ von Florian Schwinn, Westend Verlag 2019.

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Beratungsmodul für Ernährungsräte: Ernährungswende jetzt!

Beratungsmodul für Ernährungsräte: Ernährungswende jetzt!

Wie sicher ist unser tägliches Brot? Die immer vollen Regale unserer Supermärkte gaukeln uns Verlässlichkeit vor, doch die globale Nahrungskette, von der wir abhängen, wir immer brüchiger. Klimawandel, Dürren und Überschwemmungen, politische Spannungen und kriegerische Auseinandersetzungen gefährden den Nachschub. Im Ernstfall reichen unsere Vorräte höchstens drei Tage.

Ernährungssicherheit, Klimawandel, Artensterben, Unterernährung und Überkonsum sind untrennbar miteinander verknüpft und zeigen, dass unsere Ernährung nach einer neuen soliden Basis verlangt. Die liegt nicht mehr im globalen Handel, sondern in der Region, auf den Feldern und Wiesen vor unseren Haustüren, in nachhaltig wirtschaftenden Bauernhöfen, in einem lebendigen Lebensmittelhandwerk, in regionalen Märkten, in lokaler Wertschöpfung und Wertschätzung.

Die Forderung nach einer grundsätzlichen Wende der Ernährungspolitik wird schon seit Jahren lauter, doch die Politik in Berlin und Brüssel bleibt bei ihrem „Weiter so“, verweigert sich der Herausforderung. Die aktuell weltweit immer lauter werdenden Proteste vor allem der jungen Generation zeigen: die Unzufriedenheit wächst. Die Zivilgesellschaft schweigt dazu nicht länger. Sie fordert nicht nur eine Ernährungswende, sondern nimmt sie auch selbst in die Hand. In immer mehr Städten und Gemeinden baut die Zivilgesellschaft neue Brücken zwischen Bauern und Bürgern, entwirft lokale Ernährungskonzepte und fordert, dass die Vorsorge für gutes und sicheres Essen zum Teil lokaler Politik wird.

Aber wo fängt man an, wenn man solche großen Veränderungen vorantreiben will? Wer macht mit beim Umbau? Wie webt man ein tragfähiges soziales Netz? Wie bringt man auch gegensätzliche Interessen unter einen Hut? Wie weckt man das Interesse für das Politische im Essen?
Immer mehr Initiativen weltweit verfolgen diesen Weg, einige haben ihn schon erfolgreich begangen. Auch bei uns gewinnt die Bewegung an Fahrt. Das Rad muss nicht zweimal erfunden werden: Wir haben die wichtigsten Erfahrungen zusammengetragen und auf ihre Praxistauglichkeit getestet. In diesem Leitfaden findet ihr, was sich bisher bewährt hat.

Viel Erfolg bei eurer Gründsinitiative wünscht Euch das Institut für Welternährung!

 

Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages.

Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

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Interview zum Weltbodentag: Wie geht die Kirche mit ihrem Land um?

Interview zum Weltbodentag: Wie geht die Kirche mit ihrem Land um?

Bei der Durchsetzung neuer Leitlinien für die Verpachtung kircheneigenen Landes ist langer Atem gefragt.

von Karin Vorländer

Schätzungsweise drei bis vier Prozent der derzeit 16,5 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche gehören den beiden großen Kirchen. Gemeinsam sind sie damit der größte Grundbesitzer Deutschlands. Wie kircheneigenes Land bewirtschaftet wird, ob ökologisch nachhaltig oder unter dem Vorzeichen industrieller oder konventioneller Landwirtschaft, das fällt im Zeichen abnehmender Artenvielfalt und bedrohter Bodenfruchtbarkeit durchaus ins Gewicht.

Auf dem Kirchentag 2019 hat die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) deshalb eine Handreichung vorgestellt, in der sie in Zusammenarbeit mit dem NABU Projekt “Fairpachten“ neue Leitlinien zur Verpachtung von Kirchenland vorstellt.

Die Handreichung zielt darauf, dass deutlich mehr Kirchenland nach ökologischen Kriterien verpachtet werden soll. Darüber hinaus will die EKvW familiengeführte bäuerliche Betriebe stärken und gibt den Gemeinden, die kircheneigenes Land besitzen, Hinweise zur neuen Gestaltung des Pachtzinses.

Aus Anlass des Weltbodentages am 5. Dezember hat Karin Vorländer bei Dirk Hillerkus, dem Mitverfasser der Handreichung, nachgefragt, welche Chancen und Probleme es beim Versuch gibt, Kirchenland von den Pächtern künftig ökologisch nachhaltiger bewirtschaften zu lassen.

Gibt es verlässliche Zahlen dazu, wie viel Land in kirchlichem Besitz ist?

Dirk Hillerkus: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt die Zahl, dass in der EKD etwa 325.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche in den 20 Gliedkirchen der EKD verpachtet sind. Das gestaltet sich in den Gliedkirchen sehr unterschiedlich. In Mitteldeutschland etwa wird das Pachtland zentral erfasst und verwaltet. In der Evangelischen Kirche in Westfalen, in der Evangelischen Kirche im Rheinland und in Hessen-Nassau dagegen sind die Kirchengemeinden Eigentümer des Pachtlandes. Da liegt auf Kirchenkreis- oder landeskirchlicher Ebene keine Gesamtzahl vor. Wir sind dabei, eine Übersicht für die gesamte EKvW zu erstellen und die Zahlen zu erheben.

Ist das kirchliche Pachtland ein Faktor in der Landwirtschaft?

Hillerkus: Ja, zumindest in bestimmten Regionen. Wenn Sie etwa ans Münsterland, an Ost- und Südwestfalen oder an die Forstwirtschaft im Wittgensteiner Land denken, da gibt es beachtliche Pacht-Flächen in Kirchenbesitz. Sogar ein eher städtischer Kirchenkreis wie Unna hat 200 Hektar Land. In Unna zum Beispiel sind das Flächen, auf denen auch eine intensive Landwirtschaft, Kartoffel- und Gemüseanbau stattfindet.

Wenn diese Flächen wegfielen oder wenn die Kirchen strengere ökologische Kriterien für die Verpachtung durchsetzte, wäre das spürbar?

Hillerkus: Das wäre für einige Pächter spürbar. Deshalb haben wir unsere Handreichung so gestaltet, dass wir sagen: „Das sind Empfehlungen“. Die Kirchengemeinden und ihre Presbyterien entscheiden ja eigenständig. Nun ist es so, dass sich die Zusammensetzung der Presbyterien auf dem Land stark verändert hat und weniger Landwirte als früher Mitglied sind. Das hat verschiedene Gründe. Einmal ist die Zahl der Landwirte generell weniger geworden. Heute bewirtschaften zwei Landwirte die Fläche, die früher zehn Landwirte bewirtschaftet haben. Die Pächter sind Mitglieder der evangelischen oder katholischen Kirche. Aufgrund der teilweise höheren Arbeitsbelastung ist ihre verfügbare Zeit für Ehrenämter sicherlich begrenzter als früher. Von daher sind in vielen Presbyterien keine Landwirte mehr vertreten und die anderen Mitglieder sind mit der Materie nicht mehr so vertraut. Das war auch einer der Gründe, warum wir die Handreichung gemacht haben, so dass auch die Mitglieder, die fachlich nicht so bewandert sind, sich in die Materie einarbeiten können und anhand von Beispielen sagen können: „So sieht angewandter Naturschutz in der Landwirtschaft aus, so könnte man das tun.“

Wo liegt das Neue in der Handreichung und wo liegt die Herausforderung die Empfehlungen umzusetzen?

Hillerkus: Das Neue liegt sicherlich darin, dass die Handreichung erstens mit der NABU Stiftung Nationales Naturerbe, bzw. mit dem Projekt „Fairpachten“ zusammen entwickelt wurde. Das Projekt „Fairpachten“ ist vor einem Jahr neu gestartet worden. In dem Projekt sind auch Berater tätig, die Verpächter, das wären in dem Fall die Kirchengemeinden direkt vor Ort, beraten. Das ganz Wichtige dabei ist, dass wir nicht nur ganz konkret die Nachhaltigkeitskriterien Ökologie, Ökonomie und Soziales aufgenommen haben, die wir auch schon in der ersten Handreichung hatten, sondern dass wir in der aktuellen Handreichung auch ganz konkret Fördermöglichkeiten und Naturschutzmaßnahmen aufführen. Von 30 möglichen Maßnahmen, die das Fairpachten Projekt vorschlägt, haben wir zehn ausgesucht und in die Handreichung aufgenommen. Wir sagen: „Leute, das sind jetzt mal Beispiele und wir würden dazu raten, dass ein oder zwei dieser Maßnahmen auf dem Kirchenland angewandt werden.“ Wir haben darauf geachtet, dass das Maßnahmen sind, die vom Land gefördert werden und finanziell attraktiv sind.

Warum schreibt sich die Kirche das Thema Böden und nachhaltige Landwirtschaft auf die Fahnen? Wie hängt das mit dem Verständnis des Auftrages von evangelischer Kirche zusammen?

Hillerkus: Unser Auftrag ist ja Bewahrung der Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit. Das sind nun mal die drei wichtigen Säulen. Schon im konziliaren Prozess in den achtziger Jahren haben sich die Kirchen damit beschäftigt und über Nachhaltigkeit geredet. Und gerade jetzt sehen wir, dadurch dass das Thema Biodiversität und Verschwinden von Arten immer mehr zum Thema wird, wie wichtig die Erhaltung des Bodens, der Bodenfruchtbarkeit und der Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt ist. Einmal zur Nahrungsmittelproduktion, aber auch insgesamt zur Erhaltung funktionierender Ökosysteme, die wir letztendlich ja alle zum Leben brauchen.

Welche Landwirtschaft entspräche denn den anspruchsvollen Kriterien, die die Kirche formuliert hat?

Hillerkus: Wir sagen, dass wir familiengeführte Landwirtschaftsbetriebe möchten, die nachhaltig wirtschaften. Es wäre toll, wenn es ein Biolandbetrieb ist, aber, wenn jemand artgerechte Tierhaltung hat, und zwei Großvieheinheiten pro Hektar hält (zwei Kühe), nicht unbedingt Mais nach Mais anbaut, was z.B. Bestandteil eines Pachtvertrages sein kann, dann sind das schon mal positive Aspekte, die wir aufnehmen sollten.

Macht sich die Kirche bei den Landwirtschaftsverbänden mit ihren Forderungen und Kriterien Freunde?

Hillerkus: Nicht immer. Das kommt auf den Verband an. Wir sind in regelmäßigem Dialog mit dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) in Münster, 80 Prozent der Landwirte sind da Mitglied. Da wird eine Landwirtschaftspolitik vertreten, die das Motto „Wachsen oder Weichen“ zumindest nicht in Frage stellt.

Wo gibt es Dissens zwischen Landwirten und ihren Verbänden und den Empfehlungen der Kirche?

Hillerkus: Wenn wir auf Arbeitsebene Gespräche in Münster haben, dann wird immer wieder gesagt: „Wir müssen doch die Welt ernähren.“ Ich habe selbst 16 Jahre beim kirchlichen Hilfswerk „Brot für die Welt“ in Äthiopien gearbeitet. Ich entgegne dann: „Liebe Leute. Wir müssen dort die Bauern fördern, ihnen dort Wissen geben, ihnen dort Zugang zu Ressourcen und Krediten verschaffen, aber wir müssen nicht hier produzieren, und es dann dorthin zu verschiffen. Wir müssen nicht von hier aus die Welt ernähren.“

Das ist einer der großen Punkte, wo es eine große Diskrepanz zwischen der Kirche und den Bauernverbänden gibt. „Brot für die Welt“ wird kritisch gesehen. Das hat auch mit der Mentalität der hiesigen Landwirte zu tun. Man ist sehr technisch orientiert. Je größer die Maschine, umso besser. Je mehr Ertrag pro Hektar, umso besser. Da werden andere Faktoren wie Zugang zu Land oder die politische Situation ziemlich ausgeblendet. Kritisch geguckt wird auch, wenn wir vorschlagen, dass die Landwirtschaft ihren Fokus auf den EU Binnenmarkt legen sollte.

Wo ganz kritisch reagiert wird, ist, wenn wir auf alternativ/biologisch wirtschaftende Betriebe hinweisen, etwa bei der Umstellung der Schweinehaltung. „Na ja komm, die paar Stück, die der dann verkaufen kann“, heißt es dann. Man tut sich schwer damit anzuerkennen, dass man von der Masse weg mehr auf Qualität setzen kann und dass man Regionalvermarktung aufbauen kann. Da sind die meisten konventionell wirtschaftenden Landwirte schwer zugänglich. Das ist noch ein dickes Brett. Wir haben natürlich auch Kontakt zu Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) und den Bio-Anbau-Verbänden. Wir sind mit allen im Gespräch.

Haben die Kriterien aus der Handreichung für nachhaltige Bewirtschaftung von kirchlichem Pachtland schon Eingang in Musterverträge gefunden?

Hillerkus: Nein, das ist noch nicht in den Musterverträgen. Es gibt einen Mustervertrag von der EKvW, der sich nach dem EKD Mustervertrag richtet. Die Kriterien ordnungsgemäße Landbewirtschaftung, kein Ausbringen von Klärschlamm und kein Anbau genveränderter Pflanzen sind fester Bestandteil des EKvW-Musterpachtvertrages. Das andere wären dann Anhänge, die in den Kirchenkreisen oder Kirchengemeinden angefügt werden können. Das hängt natürlich auch von den jeweiligen Standorten ab. Wenn es keine Biogasanlagen in der Region gibt, muss im Pachtvertrag nicht stehen, es darf nicht Mais nach Mais angebaut werden. Sollte es eine Region geben, wo das sehr stark ist, dann wäre das ein Kriterium.

Mit neuen Pachtbedingungen handeln sich Presbyterien vermutlich auch Ärger ein.

Hillerkus: Pachtland hat in den Kirchengemeinden jahrelang keine große Rolle gespielt. Das heißt, Pachtverträge wurden nicht erneuert. Die laufen teilweise seit 30 Jahren. Es wurde auch der Pachtzins nicht erhöht. Landwirte zahlen immer noch das, was sie vor langer Zeit bezahlt haben. Das mag in manchen abgelegenen Gegenden ja okay sein, aber wenn sie an Stadtrandgebiete und größere Betriebe denken, da sind die Pachtbeträge mittlerweile 5- bis 6-fach so hoch. Da sind zwei Komponenten, die diskutiert werden müssen: Einmal der Pachtzins und zum anderen die ökologischen, ökonomischen und sozialen Verpachtungskriterien. Wobei wir sagen, die ökologischen Kriterien sollten stärker wiegen als der maximale monetäre Ertrag, den man pro Hektar Pachtland erzielen kann.

Wenn aber ein Landwirt sagt, „ich würde gerne auf Bio umstellen, kriege aber in der Übergangszeit keine Biopreise“, dann kann man darüber reden. Der Pachtpreis muss nicht an die Decke des Höchstmöglichen gehen. Auch wenn ein Betrieb durch eine Erhöhung in seiner Existenz gefährdet wäre, dann müsste man sagen, das wollen wir nicht. Es gibt eben auch das soziale Kriterium. Wir möchten, dass Landwirte Teil des Dorfes bleiben. Wir möchten, dass Betriebe familiengeführt bleiben und keine Kapitalgesellschaft werden.

Gibt es ein Beispiel für eine Nichtverlängerung eines Pachtvertrages aufgrund der neuen Kriterien?

Hillerkus: Mir ist es nicht bekannt, weil wir ja erst anfangen. Es gibt einen Kirchenkreis, der alle Pachtverträge erneuert hat. Das war vor der Veröffentlichung der Handreichung. Da ging es hauptsächlich um den Pachtpreis. Und bei einer Kirchengemeinde am Stadtrand von Unna mit 22 Pächtern wurden vor einiger Zeit alle Pachtverträge erneuert. Dabei war wichtig, dass der sozialen Frieden und das gute Verhältnis zwischen Bauern und Kirche erhalten bleibt.

Und womit ist zu rechnen, wenn die Kirche ernst macht mit den strengeren Kriterien der Handreichung?

Hillerkus: Man darf das Ganze natürlich auch nicht außerhalb der Agrarpolitik sehen. Das ist das große Korsett, in dem wir alle stecken. Auch Biolandbetriebe stehen nicht gerade außerhalb des Systems und des ökonomischen Drucks. Solange die Agrarpolitik auf Wachsen oder Weichen setzt und Betriebe ihre Kostensteigerung über Produktionssteigerung auffangen müssen und die EU auf Exporte setzt, wo die Betriebe von den Produktionskosten her oft nicht konkurrieren können, werden wir in diesem Dilemma bleiben.

Wir brauchen eine Veränderung, dass wir sagen: Öffentliche Gelder für öffentliche Güter. Landwirte erhalten Geld von der öffentlichen Hand, um öffentliche Güter wie gesunde Nahrungsmittel, Artenvielfalt, Boden, Luft und Wasser zu produzieren oder zu erhalten, die hohen Umweltnormen entsprechenWir müssen die Qualität landwirtschaftlicher Produkte wieder mehr schätzen lernen. Das hat natürlich mit einer Ernährungsveränderung zu tun und auch mit der Bereitschaft der Verbraucher, für bessere Qualität mehr zu zahlen. Der Landwirt schiebt die Schuld gerne auf die Verbraucher, die oft nicht mehr bezahlen wollen und bleibt reserviert. Ich sage dann schon mal: „Ihr könnt euch überlegen, entweder wollt ihr einen Schnitzelpreis pro Kilo von 1,99 Euro und einen Wasserpreis von 15 Euro pro m3. Oder ihr zahlt 4 Euro für das Kilo und das Wasser ist nicht so teuer und enthält weniger Nitrat.“ Anders ausgedrückt: Überlegt euch, wo ihr hinwollt. Mit allen Umweltfolgen.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo die neue Handreichung schon etwas zum Positiven verändert hat?

Hillerkus: Wenn es um die Umweltmaßnahmen geht, ist es noch zu früh. Die Handreichung haben wir ja erst zum Kirchentag veröffentlicht. Wir installieren gerade erste Arbeitsgruppen und sind dabei, gemeinsame Auswahlkriterien für die Verpachtung zu finden und dann mit den Pächtern einen Dialog zu führen.

Wie soll oder kann die Umsetzung der Empfehlungen und daraus erwachsener neuer Pachtverträge überprüft werden?

Hillerkus: Wir setzen mehr auf Kommunikation und Dialog als auf Kontrolle. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ehrenamtliche Kirchenvorstandsmitglieder, die oft schwierig zu finden sind, die Zeit haben, alle Flächen jedes Jahr zu begehen.

IWEInterview zum Weltbodentag: Wie geht die Kirche mit ihrem Land um?
100 Milliarden, die wahren Kosten der deutschen Landwirtschaft

100 Milliarden, die wahren Kosten der deutschen Landwirtschaft

Seit Wochen protestieren Bäuerinnen und Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung und für mehr gesellschaftliche Wertschätzung. Angesichts der Proteste hat Angela Merkel heute Vertreter der Agrarbranche zum Agrargipfel ins Kanzleramt eingeladen, um mit ihnen über die Zukunft der Landwirtschaft zu diskutieren.

100 Milliarden, die wahren Kosten der deutschen Landwirtschaft

Von Wilfried Bommert und Manfred Linz

Die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Boston Consulting Group hat sich die deutsche Landwirtschaft vorgenommen. Unter dem Titel: „Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern – Denkanstöße und Szenarien für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit“ greift sie in die gegenwärtig so lebhafte Diskussion um den Kurs der Agrarpolitik in Deutschland ein. Und bescheinigt der gegenwärtigen Agrarpolitik die skandalöse Missachtung aller Prinzipen der Ökonomie. Nach ihrer Rechnung stehen Kosten von 100 Milliarden Euro nur einem landwirtschaftlichen Produktionswert von 20 Milliarden Euro gegenüber. Sie rät zu drastischen Reformen, und scheut sich nicht, auch mächtigen Interessen auf die Füße zu treten.

Das Besondere: Für Diagnose und Therapie wählt sie einen Ansatz, der ihr die Aufmerksamkeit vieler sichern kann, die mit einer ethischen oder zukunftsgefährdenden Argumentation nicht leicht zu erreichen sind. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt nämlich bei einer gesamtgesellschaftlichen Gewinn- und Verlustrechnung, also beim Geld. Sie fragt, zu welchen Kosten die deutsche Landwirtschaft zwischen Boden- und Nordsee, Oder und Rhein gegenwärtig wirklich produziert, sie analysiert die wahren Kosten der intensiven Landwirtschaft. Dabei werden Positionen sichtbar, die in der Buchhaltung der Landwirte und in den Preisen für ihre Produkte bisher keine Geltung finden.

Verantwortlich dafür ist die Art, wie die intensive Landwirtschaft hierzulande betrieben wird. Ihre Kostenpositionen klopfen die Prüfer einzeln ab. Synthetischer Dünger und Pestizide schädigen Bodenleben und Grundwasser, großflächige Monokulturen lassen die Böden ein leichtes Opfer für Wind und Wasser werden und tragen den Humus ab. Diese Wirtschaftsweise hinterlässt verdeckte Kosten, die die Wirtschaftsprüfer der Boston Consulting auf 40 Milliarden Euro pro Jahr schätzen.

Ähnliches gilt für den massiven Verlust an Artenvielfalt, die Auswirkung der Intensivlandwirtschaft auf das Klima, den Wasserhaushalt, die Luftqualität und den Zustand von Kultur- und Erholungslandschaften. Auch hier entstehen verdeckte Kosten, die noch  einmal mit jährlich 50 Milliarden Euro zu Buche schlagen.

Rechnet man die Subventionen hinzu, die jedes Jahr aus den Brüsseler Töpfen und dem Bundeshaushalt für die Landwirtschaft ausgegeben werden, dann steigen die Kosten der deutschen Landwirtschaft auf 100 Milliarden Euro pro Jahr. Ihnen steht ein Produktionswert für Getreide, Kartoffeln, Milch und Fleisch von nur 20 Milliarden Euro gegenüber. Die bisher nicht eingerechneten Kosten der deutschen Landwirtschaft liegen also um den Faktor fünf höher als der Wert ihrer Waren – pro Kopf jährlich 1.200 Euro. Wirtschaftlich gesehen ist das eine Bankrotterklärung für die landwirtschaftlichen Unternehmen. Und nicht anders für die Politik  die diese Bilanz seit Jahrzehnten deckt.

Die Kur, die Boston Consulting als Wirtschaftsberatungsgesellschaft der Industrie der Landwirtschaft  vorschlägt, entspricht den Regeln jeder Unternehmensberatung: verdeckte Kosten aufdecken, Wirtschaftlichkeit durch Kostensenkung erhöhen. Konkret geht es um eine Minimierungsstrategie. Dabei zeigt sich, dass einzelne Maßnahmen nur geringe Entlastung bringen, wie die Tierhaltung an die Fläche binden, Zwischenfrüchte, Untersaaten, Leguminosen anbauen oder Brachland ruhen lassen. Auch der Verzicht auf Dünger und Agrarchemie bringt nicht mehr als 15 %  an Kostensenkung.  

Was wirklich hilft, sind grundsätzliche Weichenstellungen, radikale Veränderungen.  Die Berater halten vier Szenarien für bedenkenswert.

  • Die Landwirtschaft gibt ihre Exportambitionen auf und produziert nur noch für den deutschen Markt. Dies würde dazu führen, das die Zahl der Masttiere deutlich gesenkt werden könnte, die Umweltschäden durch Importfutter und Gülle ebenfalls. Fast die Hälfte des gegenwärtig in Deutschland erzeugten Fleisches wird für den Export produziert und verursacht allein rund 40 Prozent der versteckten Kosten der deutschen Landwirtschaft.  
  • Auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten sieht Boston Consulting Potential: Würde der Fleischkonsum entsprechend den Empfehlungen der internationalen EAT-Lancet-Kommission auf ein Viertel des heutigen Verbrauches sinken, könnten 25 Prozent der versteckten Kosten der Landwirtschaft aus der Welt geschafft werden.
  • Kann das Wegwerfen von Nahrungsmittel ganz ausgemerzt werden, sind noch einmal 15 Prozent an Einsparung zu erwarten.
  • Das größte Potential aber liegt in der Kombination der Varianten.  

Wenn Dünger und Pestizide stark vermindert würden, wenn die deutsche Landwirtschaft ihre Weltmarktambitionen aufgeben und  nur noch Fleisch für den Inlandverbrauch produzieren würde, wenn Lebensmittelverschwendung auf Null gebracht und die Kultur des Sonntagsbraten wieder Einzug halten dürfte, dann, so lautet das Urteil der Boston Consultants, könnten insgesamt 80 Prozent der bisher             versteckten Kosten in der deutschen Landwirtschaft vermieden werden.

20 Prozent blieben übrig als „unvermeidbarer“ Rest. Die entsprächen dann dem tatsächlichen Wert der Produktion. Und damit wäre die Mission der Berater beendet. Ein Erfolg wäre sie dennoch nicht. Zwar machen die vorgeschlagenen Operationen einen erheblichen Schritt hin auf mehr Ökologie. Gleichzeitig wird aber erkennbar, dass es sich dabei nur um eine Reparatur des derzeitigen Agrarsystems handelt. Eine grundlegende Wende zur Nachhaltigkeit wird nicht in den Blick genommen. Und so bleiben die Hauptnachteile des Systems für die Bauern auch bestehen. Sie liegen im dramatischen Preisdruck, den das herrschende System immer wieder erzeugt. Und der entsteht aus den Marktstrukturen, denen die Bauern ausgeliefert sind: Märkte für gesichtslose Massenware; Kleinproduzent gegen Monopole in Verarbeitung und Handel.

Solange es nicht gelingt den Bauern und ihren Produkten wieder einen Wert zu geben, der auf Wertschätzung beruht, werden sie keine besseren Preise erwarten können. Wertschätzung für sie als Menschen, für ihre Arbeit und damit auch für das, was sie mit Säen und Ernten. Diese Wertschätzung lässt sich nicht durch Kostenminimierung schaffen. Sie gedeiht vor allem dort, wo Nähe entstehen kann, an runden Tischen etwa, an denen Bauern und Bürger darüber nachdenken, wie die Region und ihre Lebensmittel wieder in Wert gesetzt werden können und sie so entstehen, das die Kosten nicht versteckt werden müssen, sondern vom Preis abgedeckt werden. Das wären die wahren Preise. Die liegen dann höher, als das was heute in den Supermärkten angepriesen wird, aber enthalten das, was den konventionellen Produkten heute fehlt: Enkeltauglichkeit.

Solche runden Tische sind keine reine Utopie; in mehr als 20 Städten der Republik arbeiten sie schon, eine große Koalition der Zivilgesellschaft auf den Weg zu neuen wertschätzenden Ernährungskonzepten. Unter den Koordinaten: regional, ökologisch und fair beginnt dort eine ökologische Transformation. Nur sie kann die zwingend notwendige Resilienz erreichen, die Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit unseres Ernährungssystems, ohne die die Herausforderungen der Klimakrise nicht zu meistern sind.

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Studie: Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern

Studie: Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern

Die Landwirtschaft spielt mit ihrer Bedeutung für die Nahrungsmittelproduktion, den Erhalt des ländlichen Raums und die Kulturlandschaft eine wesentliche Rolle in Deutschland und erfüllt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gleichzeitig steht sie vor großen Herausforderungen: In der deutschen Landwirtschaft entstehen jedes Jahr Umweltkosten in Höhe von rund 90 Milliarden Euro. Diesen externen Kosten, die von der Gesellschaft getragen werden, steht eine Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft von rund 21 Milliarden Euro gegenüber. Der Druck auf die Branche ist somit groß – die Gesellschaft hat sich an Lebensmittel zu günstigen Preisen gewöhnt. Gleichzeitig erwartet sie, dass der ökologische Fußabdruck der Landwirtschaft möglichst klein ist, zum Beispiel mit reduzierten Treibhausgasemissionen und größerem Schutz der Artenvielfalt.

Die 90 Milliarden externen Kosten, die unter anderem durch Treibhausgasemissionen sowie den Verlust von Ökosystemleistungen entstehen, können durch nachhaltige landwirtschaftliche Methoden und moderne Technologien um rund ein Drittel reduziert werden. Das zeigt die Studie „Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern“ der Boston Consulting Group (BCG).

Um die externen Kosten weiter zu senken wäre ein gesamtgesellschaftlicher Wandel mit verändertem, an die natürlichen Gegebenheiten und Grenzen angepasstem Konsumverhalten erforderlich. Vor allem die Landwirte stehen aktuell oft am Pranger. Das landwirtschaftliche System in Deutschland und der EU wird jedoch auch von Gesellschaft, Politik, Lebensmittelhandel und Industrie maßgeblich geprägt. Alle Akteure müssten daher in die Lösungswege einbezogen werden, gemeinsam muss ein Weg in eine nachhaltigere Zukunft definiert werden.

Die Studie „Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern“ entstand in Kooperation mit Jörg-Andreas Krüger, neu gewählter Präsident des NABU und ehemaliger Geschäftsführer „Ökologischer Fußabdruck“ des WWF Deutschlands. Ausgehend von den aktuellen Herausforderungen der Landwirtschaft bietet die Studie einen holistischen Überblick zu den externen Kosten der Landwirtschaft. Darüber hinaus betrachtet sie nachhaltige Landwirtschaft als ersten Lösungsansatz für die Reduktion dieser externen Kosten. Verschiedene Szenarien zeigen Möglichkeiten zur Reduktion der externen Kosten sowie Impulse für einen gesamtgesellschaftlichen Wandel auf.

Die Studie „Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern“ können Sie hier als PDF herunterladen.

IWEStudie: Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft nachhaltig sichern
Klimawandel und Gesundheit: Ärzte fordern Sofortmaßnahmen

Klimawandel und Gesundheit: Ärzte fordern Sofortmaßnahmen

Bis zum Ende dieses Jahrhunderts sind jährlich bis zu fünf zusätzliche Hitzewellen in Norddeutschland und bis zu 30 in Süddeutschland zu erwarten, wenn wir mit dem Ausstoß von Treibhausgasen so weitermachen wie bisher. Damit einhergehender Hitzestress und hohe bodennahe Ozonkonzentrationen können schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit haben. Dazu zählen unter anderem Hitzschlag, Herzinfarkt und akutes Nierenversagen aufgrund von Flüssigkeitsmangel. Am stärksten gefährdet sind ältere Menschen, Säuglinge, Patienten mit chronischen Erkrankungen sowie Personen, die schwere körperliche Arbeit im Freien verrichten, etwa Bauarbeiter. 

Zu diesen Ergebnissen kommt ein neuer Forschungsbericht der renommierten medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“. Dieser ist Teil des internationalen Forschungsprojekts „The Lancet Countdown on Health and Climate Change“. Zum ersten Mal wird dieses Jahr auch ein Deutschland-Bericht (Policy Brief) des Lancet Countdown vorgestellt. Kooperationspartner des Projektes sind die Bundesärztekammer, die Charité – Universitätsmedizin Berlin, das Helmholtz Zentrum München, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sowie die Hertie School

Nach dem Forschungsbericht nimmt auch die Gefährdung durch Infektionskrankheiten aufgrund des Klimawandels zu. Dies betrifft durch Zecken und Mücken übertragbare Infektionen, die es in Teilen Deutschlands schon heute gibt, wie zum Beispiel FSME und Borreliose, aber auch neue Infektionskrankheiten, wie Dengue, Zika und Chikungunya. Dieses Jahr gab es erstmals Mücken-assoziierte West-Nil-Fieber Fälle bei Menschen in Deutschland. Außerdem vermehren sich bei höheren Temperaturen Blaualgen und Vibrio- Bakterien in Seen und in der Ostsee, was beim Baden Gesundheitsprobleme verursachen kann. 

„Der Bericht belegt eindrücklich, dass die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels nicht irgendwann in weit entfernten Weltgegenden spürbar werden, sondern hier und heute“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Die Politik müsse geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um Risiken für die Gesundheit abzuwenden. So müssten Gesundheitseinrichtungen durch ausreichend Personal und räumliche Ressourcen auf Extremwetterereignisse vorbereitet werden. „Neben einem nationalen Hitzeschutzplan sind konkrete Maßnahmenpläne für Kliniken, Not- und Rettungsdienste sowie Pflegeeinrichtungen zur Vorbereitung auf Hitzeereignisse notwendig“, betonte Reinhardt. 

Aus der gemeinsamen Pressemitteilung von Bundesärztekammer, Charité Berlin, Helmholtz Zentrum München, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Hertie School. 

Den „Lancet Countdown 2019 Report“ können Sie hier herunterladen. Den Den Policy Brief für Deutschland finden Sie hier als PDF Download.

IWEKlimawandel und Gesundheit: Ärzte fordern Sofortmaßnahmen
Klimawandel macht Hunger

Klimawandel macht Hunger

Ohne eine ambitionierte Klimapolitik bleibt die Ernährungssicherung auf der Strecke. Die Welthungerhilfe hat in der Publikation „Brennpunkt 1/2019: Klimawandel macht Hunger“ Handlungsempfehlungen zusammengestellt.

Die Fridays-for-Future-Bewegung hat die Politik aufgerüttelt. Deutschland diskutiert über die Bepreisung von CO2 und Städte erklären de Klimanotstand. Für die Armen im Globalen Süden ist das zu wenig. Der Klimawandel hat ihr Leben längst verändert und erweist sich als Hungertreiber. Bei der Anpassung brauchen die Betroffenen unsere Unterstützung. Und wir müssen darüber hinaus politisch umsteuern: in der Energie- und Verkehrspolitik, im Konsumverhalten und in der Land- und Forstwirtschaft.

Die Publikation „Brennpunkt 1/2019: Klimawandel macht Hunger“ der Welthungerhilfe können Sie hier als PDF herunterladen.

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Analyse: Dramatischer Abwärtstrend bei den Feldvögeln hält an

Analyse: Dramatischer Abwärtstrend bei den Feldvögeln hält an

CC BY-SA 4.0, JakobRei

Erfolgreicher Naturschutz in der Agrarlandschaft nur mit Richtungswechsel in der Gemeinsamen Agrarpolitik möglich

Die Bestandsrückgänge von Rebhuhn, Kiebitz, Feldlerche und vielen weiteren Vogelarten der Agrarlandschaft halten nicht nur an, sie haben sich in den letzten Jahren sogar weiter beschleunigt. Dies geht aus einer neuen Analyse einer Fachgruppe der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) hervor.

„Leider konnte der dramatische Abwärtstrend bei den Feldvögeln bislang nicht gestoppt werden,“ erklärt Bundesumweltministerin Svenja Schulze. „Es werden deutlich mehr Anstrengungen als bisher nötig sein, um gefährdete Vögel unserer Agrarlandschaften wirksam zu schützen. Dies wird nur dann gelingen, wenn wir die erheblichen finanziellen Mittel der EU-Agrarförderung endlich im Sinne eines Richtungswechsels für mehr Natur-, Umwelt- und Klimaschutz in unseren Agrarlandschaften nutzen,“ so Schulze weiter.

Die von der Fachgruppe „Vögel der Agrarlandschaft“ der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) erarbeitete Analyse berücksichtigt die neuesten Daten aus dem Vogelschutzbericht 2019 mit Bestandsdaten bis 2016, die das Bundesumweltministerium im Juli 2019 der EU übermittelt hat.

Aus der Gegenüberstellung der Kurzzeittrends der Vogelschutzberichte 2013 und 2019 geht hervor, dass die Zahl der abnehmenden und stark abnehmenden Agrarvogelarten von 55 % auf 68 % gestiegen ist, und dass wenige Arten im Bestand zunehmen. Dies bedeutet eine weitere massive Verschlechterung der Bestandssituation bei den Agrarvogelarten. Besonders betroffene Arten sind u. a. das Rebhuhn (89% Rückgang seit 1992), der Kiebitz (88% Rückgang) und Feldlerche (45% Rückgang).

Bundesministerin Schulze: „Mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz hat die Bundesregierung selbst bereits wichtige Weichen gestellt, um Insekten in der Agrarlandschaft besser zu schützen. Und was den Insekten hilft, hilft auch den Vögeln.“ Sie betont ausdrücklich: „Ich stehe bereit, mit allen Beteiligten darüber zu sprechen, wie wir den stummen Frühling auf dem Acker gemeinsam abwenden können und wie wir Landwirtinnen und Landwirte in Zukunft noch besser dabei unterstützen können, umwelt- und naturverträglich zu wirtschaften. Die nächste Gelegenheit zum Austausch wird der Runde Tisch Insektenschutz im November sein.“

Der „Runde Tisch Insektenschutz“ ist im „Aktionsprogramm Insektenschutz“ angekündigt. Dort sollen sich Vertreterinnen und Vertreter gesellschaftlicher Akteure – darunter auch der Landwirtschaft – regelmäßig über Fortschritte des Aktionsprogramms austauschen und den Stand der Umsetzung der Maßnahmen besprechen.

Die Analyse „Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2021: Erfordernisse zum Erhalt unserer Agrarvögel“ der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft können Sie hier als PDF herunterladen.

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Bauernprotest: Gerechte Wut – Ein Kommentar von Wilfried Bommert

Bauernprotest: Gerechte Wut – Ein Kommentar von Wilfried Bommert

Die Schlange der Traktoren wollte kein Ende nehmen. Doch es ist keine Machtdemonstration, die sich da in Bonn und anderswo abspielte. Es war der Zug der Verzweifelten, von denen viele keine Zukunft mehr sehen. Der einst sichere Boden, auf dem sie wirtschafteten, schwankt. Die Hypotheken, die sie für größere Viehherden, größere Ställe, größere Maschinen aufgenommen haben, lasten schwer.

Sie spüren die Grenzen ihres Wirtschaftens immer deutlicher. Nitrat im Grundwasser, ein Drittel überbelastet. Artensterben in der Feldflur, drei Viertel aller Insekten verschwunden. Der dramatische Abwärtstrend bei Rebhuhn, Kiebitz und Feldlerche sendet ein Signal. Monotonie auf den Äckern, 95 Prozent der Pflanzenvielfalt abgeschrieben. Der Boden unter ihren Füssen, die Hälfte davon die Fruchtbarkeit verloren. Die Wasserreserven im Untergrund, zu mehr als 50 Prozent ausgepumpt. Und die Klimagase, die unsere Atmosphäre und die unserer Kindeskinder zerstören, ein Viertel kommt aus der Landwirtschaft, vor allem aus der Tiermast. Klimagase, die sie selbst spätestens seit dem Sommer 2018 zu spüren bekommen mit Hitze, Dürre, Überflutungen und Missernten. Ist es Bauernbashing, wenn offen ausgesprochen, was  wissenschaftliche Gutachten nicht erst seit gestern dem gängigen System der Intensivlandwirtschaft ins Stammbuch schreiben?

Nein, Bäuerinnen und Bauern, die in Bonn und anderswo auf die Straße gegangen sind, die zornig, verzweifelt, hoffnungslos und betroffen sind, sollten erkennen, dass sie die Opfer eines aus den Fugen geratenen Systems sind. Des Systems der industriellen Landwirtschaft, das seine Grenzen erreicht und die Grenzen unseres Planten schon vielfach überschritten hat. Es ist dieses System, dem die Empörten bisher vertrauen, und das sie an den Rand des Erträglichen gebracht hat.

„Weiter so“ ist keine Option mehr. Was not tut, ist ein grundlegender Wandel, eine neue Vision. Bäuerinnen und Bauern, die wieder für ihre Mitmenschen pflügen, säen und ernten. Die fair zu ihren Tieren sind. Die Vielfalt zum Geschäftsmodell machen, auf ihren Äckern und in ihren Ställen. Die den Boden wertschätzen, die Wasserreserven schonen, Klima und Artenvielfalt erhalten. Und die wieder Anerkennung genießen von ihren Mitmenschen für das, was sie auf ihren Höfen tun.

Das Gefühl sagt uns: Ja, das wäre die Vision für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, eine Ernährungswende! Der Verstand sagt uns, dass es dazu keine Alternative gibt!

IWEBauernprotest: Gerechte Wut – Ein Kommentar von Wilfried Bommert
The Mainstreaming of Organic Agriculture And Agroecology in the Himalaya Region

The Mainstreaming of Organic Agriculture And Agroecology in the Himalaya Region

Adequate policies that advance the transition towards sustainable agriculture and food systems to ensure healthy food for all, to overcome social and economic inequalities and to protect our environment, climate and biodiversity, are urgently needed.

After highlighting the world’s best policies scaling up agroecology with the Future Policy Award 2018, the World Future Council and IFOAM – Organics International present the study „The Mainstreaming of Organic Agriculture and Agroecology in the Himalaya Region“. Policy Contexts in Bhutan, India and Nepal”, realized with the support of the Schweisfurth Foundation.

The study is a follow up of the efforts to showcase existing political support towards organic farming and agroecology, and brings new insights on the current institutional efforts and limitations of mainstreaming sustainable agriculture across the Himalaya Region, with a focus on three countries: Bhutan, India and Nepal.

Download full study here.

IWEThe Mainstreaming of Organic Agriculture And Agroecology in the Himalaya Region