TV-Tipp: Billiges Fleisch – Wer bezahlt für die kleinen Preise?

TV-Tipp: Billiges Fleisch – Wer bezahlt für die kleinen Preise?

Die Deutschen genießen billiges Fleisch – selten haben sie weniger Geld für dieses Lebensmittel ausgegeben. Rund 60 Kilogramm Fleisch konsumieren deutsche Verbraucher*innen im Durchschnitt pro Jahr. An Ostern und Weihnachten besonders beliebt: Rindfleisch aus Südamerika. Der Dokumentarfilm „Billiges Fleisch – Wer bezahlt für die kleinen Preise?“ von Tatjana Mischke schaut hinter die Kulissen der Landwirtschaft in Deutschland und Brasilien. Und blickt auf eine weltweit agierende Agrarindustrie. Mehr Informationen zum Film finden Sie hier.

Erstausstrahlung: Mittwoch, 07. April 2021, 20.15 Uhr, SWR
Weitere Ausstrahlungstermine: 8. April, 10.15 Uhr, SWR; 9. April, 2.45 Uhr, SWR

Nach Ausstrahlung ist der Film ein Jahr in der ARD Mediathek abrufbar sowie über den SWR Doku Channel auf Youtube verfügbar.

Foto: Manoela Meyer/ThurnFilm
IWETV-Tipp: Billiges Fleisch – Wer bezahlt für die kleinen Preise?
Dokumentarfilm: Hexenküche Lebensmittelindustrie

Dokumentarfilm: Hexenküche Lebensmittelindustrie

Der Dokumentarfilm „Hexenküche Lebensmittelindustrie“ von Martin Blanchard und Maud Gangler ist noch bis zum 02. April 2021 in der Arte-Mediathek zu sehen.

Immer mehr Menschen sterben an den Folgen von Krankheiten, die durch Ernährung ausgelöst oder verstärkt werden: Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Die Lebensmittelindustrie agiert intransparent und hält sich bedeckt. ARTE hat in Deutschland und Frankreich, aber auch in Irland und der Schweiz recherchiert und hinter die Kulissen der Fertiggerichtproduktion geblickt.

Industriell verarbeitete Lebensmittel sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Palette an Fertiggerichten wird immer größer, ihr Preis immer geringer. Fettleibigkeit und Diabetes nehmen zu, die Angaben auf der Verpackung werden immer unverständlicher. Zum Glück wehren sich Konsumenten, Verbraucherorganisationen und auch einzelne Unternehmen zunehmend gegen den ungesunden „Fertigfraß“.

Um hinter die Kulissen der Lebensmittelindustrie zu blicken, nehmen die Dokumentarfilmer die Perspektive eines Lebensmittelchemikers ein und stellen ein klassisches Fertigprodukt her: ein Cordon bleu. Warum brauchen wir für das panierte Kalbsschnitzel an die 30 Zutaten, obwohl eigentlich nur fünf nötig wären? Kann man beim Fleisch, das in der Industrieversion steckt, wirklich noch von Fleisch sprechen? Und was hat die mit jeder Menge Zusatzstoffen versehene Schmelzmasse mit Käse zu tun? An einem konkreten Beispiel entschlüsselt der Dokumentarfilm, was genau da in unseren Magen wandert und fragt, ob dies noch gesund sein kann.

ARTE hat in Deutschland und Frankreich, aber auch in Irland und der Schweiz nachgefragt, wie die Rezepturen klassischer Fertiggerichte aussehen. Schnell hat sich gezeigt, dass man für die Zubereitung keine Küche, sondern ein Chemielabor und jede Menge Pulver und Granulate braucht. Die hochgradig verarbeiteten Lebensmittel besitzen keinen nennenswerten Nährwert, können aber das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Die nationalen und europäischen Lebensmittelbehörden geben an, überlastet zu sein und zögern damit, gesundheitsgefährdende Zutaten, die sie selbst zugelassen haben, wieder zu verbieten.

Doch unter dem Druck von Konsumenten und Apps zum Scannen von Barcodes auf Produkten wie „Yuka“ haben einige Unternehmen damit begonnen, nachzubessern. Sie beschränken die Liste der Zutaten, setzen weniger Zusatzstoffe ein und verwenden pflanzliche Proteine. Das Vorgehen ist zu begrüßen, auch wenn es eine echte Herausforderung darstellt und sogar kontraproduktiv sein kann, wenn etwa ein veganes Gericht in Verdacht gerät, der Gesundheit zu schaden. Letztendlich geht es um die Frage, ob die Gesellschaft bereit ist, einen höheren Preis für gesunde Ernährung zu bezahlen. (Programmtext)

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Online-Screening: Der Bauer mit den Regenwürmern

Online-Screening: Der Bauer mit den Regenwürmern

Den 45-minütigen Dokumentarfilm „Der Bauer mit den Regenwürmern“ von Bertram Verhaag gibt es am Sonntag, den 6. Dezember 2020 ab 16.30 Uhr im Live-Stream zu sehen. Zur Anmeldung geht es hier.

Sepp und Irene Braun sind seit 1984 Biobauern. Auf ihrem Hof in der Nähe von Freising betreiben sie neben biologischem Ackerbau auch biologische Viehzucht. Der Ökolandbau ist für die beiden eine Antwort auf die Frage des Klimawandels. Während sich auf konventionell bewirtschafteten Äckern durchschnittlich 16 Regenwürmer pro m2 finden lassen, tummelt sich bei Sepp und Irene Braun ungefähr die 25-fache Menge. Dass sie die Lebensbedingungen der fleißigen Helfer berücksichtigen, versteht sich von selbst: ihre „Wohnungen“ werden nicht durch schwere Maschinen platt gewalzt und eine eigens gesäte Kleekräutermischung dient als Winterfutter für die kleinen Helfer. Regenwurmkot liefert wertvollen Humus bis zu 2cm pro Jahr und 2m tiefe Regenwurmröhren, die pro Stunde bis zu 150 Liter Wasser aufnehmen und im Boden speichern können. Durch die erhöhte Bodenfruchtbarkeit erwirtschaften Sepp und Irene Braun weit mehr als ihre auf chemische Düngung setzenden Nachbarn. Das spricht sich herum: selbst die Frau des senegalesischen Präsidenten kündigt überraschend ihren Besuch an.

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Dokumentarfilm: Unser Boden, unser Erbe

Dokumentarfilm: Unser Boden, unser Erbe

W-film / Tisda Media

Die dünne Humusschicht des Bodens versorgt alle Menschen auf der Welt mit Lebensmitteln, sauberem Trinkwasser und sauberer Luft. Und sie kann das Klima retten. Denn gesunde Böden sind nach den Ozeanen der größte Speicher für Treibhausgase und tragen wesentlich zur Senkung von CO2 bei.

Aber um zehn Zentimeter fruchtbare Erde zu bilden, braucht unser Planet mehr als 2.000 Jahre. Und dennoch nutzen wir unsere Böden, als wären sie unerschöpflich. Damit gefährden wir unsere Lebensmittelquelle. Was bedeutet das für die Zukunft? Wie muss sich die Landwirtschaft, die Gesellschaft ändern, damit wir unseren Kindern eine lebendige Welt mit lebendigen Böden weitergeben können?

Marc Uhlig zeigt in seinem Dokumentarfilm „Unser Boden, unser Erbe“, wie wichtig und zugleich extrem bedroht diese kostbare Ressource ist. Ob als Landwirt*in, Gärtner*in oder Konsument*in im Supermarkt – wir alle können zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit beitragen. Das inspirierende Plädoyer für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und nachhaltige Ernährung ist aktuell im Kino zu sehen.

Hier geht’s zur Filmkritik „Unser Boden, unser Erbe“ von Kino-Zeit, hier finden Sie ein Kino in Ihrer Nähe, in dem der Dokumentarfilm zu sehen ist.

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Reportage: So teuer sind unsere Lebensmittel wirklich

Reportage: So teuer sind unsere Lebensmittel wirklich

Wie man leben soll und wie man leben will, lässt sich oft nicht so leicht auf einen Nenner bringen. Gerade auch, wenn es ums Thema Essen geht. Denn der Preis, den man im Supermarkt für Lebensmittel bezahlt, entspricht nicht den wahren Kosten für die Herstellung der Lebensmittel. Die sogenannten externen Kosten durch Umweltbelastungen wie Stickstoff, Treibhausgasemissionen und Energieverbrauch, sind nicht berücksichtigt. Eine Studie Augsburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat diese Folgekosten erstmals berechnet. Demnach müsste Fleisch dreimal so viel kosten wie bisher und Milchprodukte müssten doppelt so teuer sein.

Reportage von SWR Wissen – odysso

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Dokumentarfilm: Unsere große kleine Farm

Dokumentarfilm: Unsere große kleine Farm

Der Dokumentarfilm „Unsere große kleine Farm“ erzählt auf berührende und inspirierende Weise von John und Molly Chester, die sich seit fast zehn Jahren mit ihren „Apricot Lane Farms“ in Kalifornien der ökologischen Landwirtschaft verschrieben haben.

Es war schon immer der große Traum von Molly und John Chester, auf dem Land zu leben und eine eigene Farm zu haben. Lange Zeit lebten die Food-Bloggerin und der Naturfilmer jedoch mitten in der Großstadt L.A.. Als sie einen Hund namens Todd aus dem Tierheim holten, schien das Glück zunächst perfekt. Doch Todd bellte so laut, dass sich die Nachbarn beschwerten und Molly und John die Wohnung gekündigt wurde. Das war der Moment, wo beide entschieden, dass es an der Zeit ist, etwas in ihrem Leben zu ändern. Und so suchen sie sich Investoren und ein Stück Land.

Was sie zunächst dort vorfanden, waren viele Probleme: Eine karge Landschaft, tote Erde, Reste von Monokultur. Und doch wollten Molly und John versuchen, dieses „verbrannte“ Stück Erde zu retten. Und daraus ein Paradies für Pflanzen, Tiere und Menschen zu schaffen. Die Geschichte von Molly und John Chester beginnt im Jahr 2010. Der Dokumentarfilm UNSERE GROSSE KLEINE FARM, bei dem John Chester selbst Regie führte, dokumentiert die Geschehnisse rund um die „Apricot Lane Farms“ auf anschauliche, spannende und vor allen Dingen inspirierende Art und Weise.

Von den anfänglichen Planungen über die ersten Rückschläge bis hin zu bahnbrechenden Erfolgen wird man als Zuschauer Teil eines ganzen Kosmos. Man kann dabei zusehen, wie Schwein Emma ihre 15 Ferkel zur Welt bringt und sie sich mit dem Hahn Greasy einen eher ungewöhnlichen Freund fürs Leben sucht. Man ist dabei, wie die erste Obsternte fast völlig an die Vögel verloren geht, eine Schneckenplage die Bäume beschädigt und Kojoten zu einer ernsthaften Gefahr für die freilaufenden Hühner werden. Und man wird Zeuge davon, wie ein Land, das durch seine Ausbeutung fast zerstört wurde, zu einer blühenden Oase des Lebens wird.

Das alles ist nur möglich, weil Molly Chester, ihr Mann John und ihr hochmotiviertes und engagiertes Team eine große Verbundenheit untereinander und zu dem Land, das sie bewirtschaften, haben. Diese vermittelt sich in jeder Einstellung dieses wunderschön fotografierten Films, in dem Molly und John glaubhaft und authentisch ihren Traum von einer besseren Welt leben.

Am Ende des Films sagt John, dass „Apricot Lane Farms“ nicht der einzige Weg sei, um die Erde zu retten. Doch, und das macht UNSERE GROSSE KLEINE FARM in jeder Minute deutlich: Es ist ganz sicher ein richtiger und wichtiger Weg, der zeigt, dass der Mensch nur dann von der Erde leben kann, wenn er gleichzeitig alles versucht, um sie zu erhalten. Ein wunderschöner Film – so inspirierend wie die Idee, von der er erzählt.

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FAO framework for the Urban Food Agenda

FAO framework for the Urban Food Agenda

On Thursday 7 March, the Director-General launched the FAO framework for the Urban Food Agenda. The result of an inclusive consultative process, the framework is informed by four guiding principles which ensure that actions taken to strengthen rural-urban linkages in support of food system development are compatible with the goals set out in the 2030 Agenda. These principles provide the grounds for seven comprehensive areas of support through which FAO, with partners, can assist governments to: 

Enable improved policy environments through coordinated laws, regulations, governance and empowerment of institutions;  

Execute actions according to context-specific realities, inter alia, shorter supply chains, inclusive public food procurement, innovative agro-food business, healthier food and green environments, and optimized supply chains and sustainable bio economy; and

Expand good practices through the exchange of information and cooperation, and provide a basis for global fora that facilitate the participation of different levels of government to effectively promote good practices on food system governance. The launch event will provide an opportunity to introduce the framework, to discuss with municipalities and key partners how it can best be operationalized, and to highlight how the activities of technical divisions and decentralized offices in FAO can benefit from the framework.

Watch the full video documentation of the event here.

Download the paper „FAO framework for the Urban Food Agenda“ here.

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Filmkritik: Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen

Filmkritik: Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen

Eine Filmkritik von Ines Meier
DAVID GEGEN GOLIATH

Bei der Rettung des Saatguts ginge es um Sex, Menschen seien besessen von Sex, selbst wenn es nur Steckrüben-Sex sei. Will Bonsall, Gründer des Scatterseed Projekts, wirkt wie ein hippiesker Weihnachtsmann und schwadroniert schmunzelnd vor seinem Holzschuppen. Diese einigermaßen schräge Szene ist der Beginn des Trailers zu Taggart Siegels und Jon Betz’ Dokumentarfilm „Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen“. Der erste Eindruck also: Hier wird ein Film darauf aus sein, mit  den Mitteln des Boulevards eine Zielgruppe zu kapern, die Saatgut sonst in etwa so spannend und relevant wie Briefmarkensammeln findet. Von dem kleinen Fehltritt darf man sich glücklicherweise nicht irritieren lassen: Dieser Dokumentarfilm geht uns alle an.

Saatgut ist die Grundlage unserer Ernährung – und diese zentrale Ressource ist extrem bedroht. Mehr als 90% Prozent aller Saatgutsorten sind im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft bereits verschwunden. Seit der Übernahme von Monsanto durch Bayer in diesem Jahr beherrschen nur noch drei Konzerne mehr als 60% des weltweiten Saatgut-Marktes. Eine immer größer werdende Bewegung aus Bauern, Gärtnern, Umweltaktivisten, Wissenschaftlern und Bürgern stemmt sich gegen diese Entwicklung. Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen ist nach Queen of the Sun: What Are the Bees Telling Us? über das Bienensterben die zweite Zusammenarbeit der US-amerikanischen Dokumentarfilmer Taggart Siegel und Jon Betz, die auch die gemeinnützige Filmproduktion Collective Eye Films betreiben. Sie machen kein Geheimnis daraus, auf welcher Seite sie im Kampf von David gegen Goliath stehen.

Siegel und Betz führen uns in Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen durch die Geschichte des Saatguts, das über Jahrtausende in der Hand der Bauern lag. Bis vor einigen Jahrzehnten war allen Kulturen quer über den Globus freier Zugang zu Saatgut selbstverständlich, Saatgut war Gemeingut bevor es zum Handelsgut verkam. Für ihre komplexe Bestandsaufnahme mit Fokus auf den amerikanischen Kontinent interviewen Siegel und Betz eine ganze Reihe an Saatgut-Aktivisten – darunter viele indigene Bäuerinnen und Bauern, die Physikerin Vandana Shiva, die Umweltjuristin Claire Hope Cummings, die Primatologin Jane Goodall sowie NGOs und Projekte, die sich dem Aufbau und Erhalt von Saatgutbanken widmen.

Die Geschichte des Saatguts ist letztendlich eine Geschichte des globalen Kapitalismus.  Großindustrielle entwickeln da unter dem Deckmantel des Versprechens auf höhere und bessere Erträge hybrides und genmanipuliertes Saatgut, das vor allem ihrer eigenen Profitmaximierung dient. Da es patentiert ist und nicht mehr von den Bauern vermehrt werden darf, müssen sie es jedes Jahr neu kaufen. Die Saatbanken und Saatgutpraktiken der Bauern werden zerstört, die Bauern und in ihrer Folge die Verbraucher zu Geiseln der Konzerne. Es sind Pflanzen, die nicht von ungefähr auf einen hohen Chemieverbrauch gezüchtet sind, so wie es kein Zufall ist, dass die Konzerne, die den Saatgutmarkt beherrschen, Chemie- und Pharmaunternehmen sind.

Der Film erzählt die Geschichte einer Industrie, die einst Kriegschemikalien verkaufte und sich mit der Landwirtschaft einen neuen Absatzmarkt erschlossen hat. Die Auswirkungen auf Umwelt und Biodiversität sind immens. Der Regen der Pestizide geht direkt neben Siedlungen oder gar Schulen nieder. Auffällig sind in diesen Gegenden erhöhte Raten an Missbildungen, Fehlgeburten und Krebserkrankungen. Massiv drängen die Konzerne in die Länder des Südens, die Kleinbauern dort nehmen Kredite auf, verschulden sich. Die genmanipulierte Saat ist nicht an die regionalen Klimabedingungen angepasst und schädlingsanfällig. Allein in Indien haben sich in den letzten zwanzig Jahren 300.000 Bauern das Leben genommen. Oft, indem sie Pestizide trinken. Die Konzerne stecken riesige Summen in politische Kampagnen und Lobbyismus, sie reagieren auf Klagen mit Gegenklagen, besetzen Regierungspositionen und manipulieren wissenschaftliche Daten.

Man könnte nun vor der Summe dieses Grauens direkt das Handtuch werfen, aber diesem Impuls stemmt sich Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen schon allein stilistisch mit einem gewaltigen Potpourri entgegen. Die eher klassischen Interviewaufnahmen werden flankiert von Nachrichten- und Archivmaterial, Privatfotos, Stock-Footage von umherfliegendem, wasserbeperltem Gemüse und allerlei animierten Sequenzen, bei denen kein Stil dem anderen gleicht. Man reibt sich da eine Weile ungläubig die Augen, bis einem aufgeht: Das stilistische Chaos ist kein Versehen, sondern die Vielfalt der visuellen Stile soll die Forderung nach Vielfalt im Saatgut spiegeln. Was ja wiederum auch eine Art Stringenz ist – und die ist so dermaßen frech verspielt, dass man sich ihrem Charme nach anfänglichem Widerstand schmunzelnd ergibt.

Die passionierten Aktivistinnen und Aktivisten in Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen sind ansteckend. Immerhin steht und fällt mit dem Saatgut nicht nur das Angebot auf unseren Tellern, sondern auch das Überleben zukünftiger Generationen. Nur mit vielfältigem Saatgut werden wir uns den Folgen des Klimawandels anpassen können. Mit dem einher geht eine Landwirtschaft, die künftig nachhaltig wirtschaften muss, statt den Klimawandel weiter voranzutreiben. Man muss Jane Goodall hören, wie sie mit leuchtenden Augen vom Reichtum des Saatguts schwärmt. Den Molekularbiologen Ignacio Chapela, der die Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen als Tanz beschreibt, der eine Kultur überhaupt erst ermöglicht. Die zwei botanischen Entdecker, die über in Tütchen abgepacktes Saatgut in eine dermaßen große Aufregung geraten, dass man sich ein paar Sekunden lang fragt, ob da nicht doch eher Marihuana drin ist. Oder eben Emigdio Ballon aus dem Tesuque Pueblo in New Mexico, der erzählt, wie sein Großvater ihm kurz vor seinem Tod eine Handvoll Samen gab, mit den schlichten Worten: „Dies ist Leben.“

Titelbild: Clayton Brascoupe mit Ähren vom einheimischen Mais der Pueblo in New Mexico © W-film / Collective Eye Films

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Dokumentarfilm: Zeit für Utopien

Dokumentarfilm: Zeit für Utopien

Gibt es nach dem Zusammenbruch des „realen Sozialismus“, neben dem Kapitalismus, der global immer polarisierender Reichtum und Armut produziert, ein Gesellschaftsmodell, über das nachzudenken und um das zu streiten sich lohnt? Dieser Frage geht der Regisseur Kurt Langbein in seinem Dokumentarfilm ZEIT FÜR UTOPIEN nach, der heute in den Kinos startet. Er stellt darin vier Menschen und Initiativen vor, die sich entschlossen haben, Wege jenseits von Gier und Profitstreben zu gehen.

Sie sind keine AussteigerInnen, sondern EinsteigerInnen in eine neue Gesellschaft. „Ich wollte nicht mehr Teil des Problems sein, sondern Teil der Lösung werden“, erzählt Petra Wähning von ihrem Entschluss, ein Projekt der „Solidarischen Landwirtschaft“ zu starten. Statt ihr Geld im Supermarkt zu lassen, investieren 300 KonsumentInnen direkt in einen landwirtschaftlichen Betrieb und werden dafür von diesem mit Lebensmitteln versorgt. Aber lassen sich mit Modellen, die im Kleinen funktionieren, auch große Städte versorgen? Auf jeden Fall! Petra Wähning entdeckt in Südkorea die Genossenschaft ‚Hansalim’, deren Bauern und Bäuerinnen 1,5 Millionen Menschen mit regionaler Frischkost in Bio-Qualität versorgen. Rund siebzig Prozent der Konsumentenpreise landen direkt bei den HerstellerInnen, so haben die Bauern und Bäuerinnen von ‚Hansalim’ eine gute Perspektive.

Laura Gerritsen, Produktmanagerin von ‚Fairphone’, macht sich auf den Weg zu den Kobalt-Minen im Kongo. Sie versucht faire Produktionsbedingungen für die Metalle zu etablieren, mit denen Smartphones funktionieren. „Alles was wir in Europa kaufen, hat einen Einfluss auf die Herstellungsländer, die sich sehr oft im Süden befinden. Wir wollen Signale für die Konzerne geben, dass für die KonsumentInnen neben Gewinn auch soziale und ökologische Kriterien wichtig sind“. Im Züricher Wohnprojekt ‚Kalkbreite’ wird vorgelebt, wie man energiesparend und umweltfreundlich leben kann, ohne auf einen angenehmen Lebensstil verzichten zu müssen. Der Konzern Unilever will eine Fabrik in Südfrankreich schließen. Statt sich ihrem Schicksal zu ergeben, wehrt sich die Belegschaft: Sie besetzt die Fabrik. 1336 Tage dauert ihr Kampf, der schließlich erfolgreich endet: Heute verwalten die MitarbeiterInnen den Betrieb als Genossenschaft ‚Scop-Ti’ selbst.

„Zeit für Utopien“, Regie: Kurt Langbein, Österreich 2018, 95 Min.

Foto: Reisbauer der Kooperative Hansalim vor Skyline. C. Roth, ©Langbein & Partner Media

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