Hidden costs of global agrifood systems worth at least $10 trillion

Hidden costs of global agrifood systems worth at least $10 trillion

Our current agrifood systems impose huge hidden costs on our health, the environment and society, equivalent to at least $10 trillion a year, according to an analysis by the Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), covering 154 countries. This represents almost 10 percent of global GDP.

According to the 2023 edition of The State of Food and Agriculture (SOFA), the biggest hidden costs (more than 70 percent) are driven by unhealthy diets, high in ultra-processed foods, fats and sugars, leading to obesity and non-communicable diseases, and causing labour productivity losses. Such losses are particularly high in high- and upper-middle-income countries.

One fifth of the total costs are environment-related, from greenhouse gas and nitrogen emissions, land-use change and water use. This is a problem that affects all countries, and the scale is probably underestimated due to data limitations.

Low-income countries are proportionately the hardest hit by hidden costs of agrifood systems, which represent more than a quarter of their GDP, as opposed to less than 12 percent in middle-income countries and less than 8 percent in high-income countries. In low-income countries, hidden costs associated with poverty and undernourishment are the most significant.

The report makes the case for more regular and detailed analysis by governments and the private sector of the hidden or ‘true’ costs of agrifood systems via true cost accounting, followed by actions to mitigate these harms.

There have been other attempts at measuring the hidden costs of agrifood systems, producing similar estimates as FAO. The new FAO report, however, is the first to disaggregate these costs down to the national level and ensure they are comparable across cost categories and between countries.

For the first time ever, FAO will dedicate two consecutive editions of The State of Food and Agriculture to the same theme. This year’s report presents initial estimates, while next year’s will focus on in-depth targeted assessments to identify the best ways to mitigate them. Governments can pull different levers to adjust agrifood systems and drive better outcomes overall. Taxes, subsidies, legislation and regulation are among them.

“In the face of escalating global challenges: food availability, food accessibility and food affordability; climate crisis; biodiversity loss; economic slowdowns and downturns; worsening poverty; and other overlapping crises, the future of our agrifood systems hinges on our willingness to appreciate all food producers, big or small, to acknowledge these true costs, and understand how we all contribute to them, and what actions we need to take. I hope that this report will serve as a call to action for all partners – from policymakers and private-sector actors to researchers and consumers – and inspire a collective commitment to transform our agrifood systems for the betterment of all,” said FAO Director-General QU Dongyu.

The report urges governments to use true cost accounting to transform agrifood systems to address the climate crisis, poverty, inequality and food security. It notes that innovations in research and data, as well as investments in data collection and capacity building, will be needed to scale the application of true cost accounting, so it can inform decision-making in a transparent and consistent way.

Read the press release by FAO here.

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Wir trauern um Marie-Luise Dörffel

Wir trauern um Marie-Luise Dörffel

Marie-Luise Dörffel starb nach schwerer Krankheit im September 2023. Sie hat den Vorstand des Instituts für Welternährung mit ihren Ideen bereichert, mit ihrer Heiterkeit ermuntert und mit ihrer Unverzagtheit ermutigt auf dem Weg der Ernährungswende voranzugehen.

Ihr war wichtig, so schrieb sie selbst 2021 bei ihrem Antritt als Vorständin im IWE, dass unsere Ernährung gesünder wird – für den Menschen und die Umwelt, dass regionale Strukturen wieder entstehen können oder erhalten bleiben, dass Nähe, Gemeinsamkeit und gegenseitige Verantwortung kleine Betriebe stärken. Dass mehr (soziale) Gerechtigkeit, der Schutz der Lebewesen und des Klimas die Agrarwende bestimmen.

Marie Luises war es ein Anliegen, hierfür eine leichte Sprache zu finden. Denn „nur wenn viele Menschen verstehen, dass es um unser aller Zukunft geht, können wir viel bewegen.“ Das war für sie Passion und bleibt für uns Verpflichtung, auch über den Tod hinaus. Wir trauern um eine engagierte Mitstreiterin und liebe Kollegin. Wir trauern um Marie-Luise Dörffel.

Der Vorstand des Instituts für Welternährung

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Erstmals nachgewiesen: Das Mikrobiom von Obst und Gemüse beeinflusst die Vielfalt im Darm positiv

Erstmals nachgewiesen: Das Mikrobiom von Obst und Gemüse beeinflusst die Vielfalt im Darm positiv

In einer Metastudie hat ein Forschungsteam des Instituts für Umweltbiotechnologie der TU Graz den Nachweis erbracht, dass der Verzehr von Obst und Gemüse positiv zur Bakteriendiversität im menschlichen Darm beiträgt.

Bakterielle Vielfalt im Darm spielt eine wichtige Rolle für die menschliche Gesundheit. Die entscheidende Frage ist jedoch: Wo sind die Quellen für diese Vielfalt? Bekannt ist, dass bei der Geburt ein wichtiger Teil des mütterlichen Mikrobioms auf das Baby übertragen wird, gleiches geschieht während der Stillperiode über die Muttermilch. Weitere Quellen konnten bislang nicht aufgedeckt werden. Einem Team rund um Wisnu Adi Wicaksono und Gabriele Berg vom Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz ist jetzt der Nachweis gelungen, dass pflanzliche Mikroorganismen aus Obst und Gemüse zum menschlichen Mikrobiom beitragen. Das berichten sie in einer Studie, die im Journal Gut Microbes publiziert worden ist.

Du bist, was Du isst
Die Autoren konnten nachweisen, dass die Häufigkeit des Obst- und Gemüseverzehrs und die Vielfalt der verzehrten Pflanzen die Menge der obst- und gemüse-assoziierten Bakterien im menschlichen Darm beeinflusst. Insbesondere die frühe Kindheit stellt ein Zeitfenster für die Besiedlung mit pflanzenassoziierten Bakterien dar. Die Mikroorganismen pflanzlichen Ursprungs verfügen über probiotische und gesundheitsfördernde Eigenschaften, die ebenfalls aufgezeigt wurden.

Unter einem Mikrobiom versteht man die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die einen Makroorganismus (Mensch, Tier, Pflanze) oder einen Teilbereich dessen besiedeln, beispielsweise den Darm oder eine Frucht. Während die einzelnen Mikrobiome immer besser verstanden werden, ist über ihre Verbindungen wenig bekannt. „Der Nachweis, dass Mikroorganismen von Früchten und Gemüse den menschlichen Darm besiedeln können, ist jetzt erstmalig gelungen“, erklärt Erstautor Wisnu Adi Wicaksono. Damit liegt die Vermutung nahe, dass der Verzehr von Obst und Gemüse besonders im Babyalter einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems in den ersten rund drei Lebensjahren hat, da sich in dieser Zeit das Darmmikrobiom entwickelt. Aber auch danach ist eine gute Diversität an Darmbakterien förderlich für Gesundheit und Widerstandsfähigkeit. „Es beeinflusst einfach alles. Diversität beeinflusst die Widerstandsfähigkeit des ganzen Organismus; höhere Diversität vermittelt mehr Resilienz“, sagt Institutsleitern Gabriele Berg.

Mehrere Milliarden Sequenzen
Um feststellen zu können, dass der Verzehr von Obst und Gemüse mitsamt ihrer Mikrobiome auch wirklich zu Veränderungen im Darmmikrobiom führt, erstellte das Team zunächst einen Katalog mit Mikrobiomdaten aus Früchten und Gemüse, um so deren Bakterien zuordnen zu können. Diese glichen sie mit öffentlich verfügbaren Daten aus zwei Studien zur Darmflora ab. Das Projekt TEDDY betrachtete anhand einer Langzeitstudie die Entwicklung bei Babys und das American Gut Project studierte die Darmflora von Erwachsenen – beide Projekte erhoben dafür auch die Daten zur Nahrungsaufnahme der Proband*innen. Insgesamt standen den Forschenden dadurch Metagenom-Daten aus rund 2500 Stuhlproben zur Verfügung, jede davon enthielt zwischen ein und zehn Millionen Sequenzen – ausgewertet wurden also mehrere Milliarden Sequenzen. Anhand dieses umfangreichen Datensatzes ließ sich das Vorhandensein der Obst- und Gemüse-Mikroflora im Darm nachweisen. Dieser Nachweis ist ein entscheidender Baustein für den Beweis des „One Health“-Konzeptes der WHO, das die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander verknüpft.

Folgestudie auf drei Kontinenten
Um den entdeckten Zusammenhang noch weiter zu erforschen, arbeitet Gabriele Berg am Institut für Umweltbiotechnologie im Rahmen des von der EU geförderten Projekts HEDIMED (www.hedimed.eu) gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen bereits an einer Interventionsstudie, bei der Menschen auf drei Kontinenten für einen gewissen Zeitraum das Gleiche essen und danach deren Ausscheidungen analysiert werden. Aber auch darüber hinaus sieht Gabriele Berg viele Bereiche, die auf Basis des Studienergebnisses beeinflusst werden könnten. Das beginnt bei der Lebensmittelerzeugung, da Erde, Dünger und eingesetzte Pflanzenschutzmittel sich auf das pflanzliche Mikrobiom auswirken. „Frisches Obst und Gemüse wird immer das beste Mikrobiom haben, die Landwirtschaft oder weiterverarbeitende Betriebe haben hier schon einen großen Einfluss. Und auch die Lagerung und Verarbeitung der Nahrung muss kritisch überdacht werden“, erklärt Berg. Abhängig von den Erkenntnissen der geplanten Studie könnte es auch für einzelne Personen spannende Anwendungen geben. „Jedes Obst und Gemüse hat ein einzigartiges Mikrobiom. Also vielleicht lässt sich auf Basis dessen irgendwann eine personalisierte Ernährung zusammenstellen.“

Beitrag von Falko Schoklitsch, 24.10.2023 | TU Graz news | Forschung.

Die Studie „The edible plant microbiome: evidence for the occurrence of fruit and vegetable bacteria in the human gut“ finden Sie hier.

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Buchtipp: Vandana Shiva – Terra Viva. Mein Leben für eine lebendige Erde

Buchtipp: Vandana Shiva – Terra Viva. Mein Leben für eine lebendige Erde

Aufgewachsen in den Bergwäldern des Himalayas im nördlichen Indien, hatte Vandana Shiva von Kindesbeinen an eine intensive Beziehung zur Natur und erlebte schon früh die Bedrohung ihrer Wälder durch Raubbau. Sie entschied sich für ein Studium der Quantenphysik und promovierte in Kanada.

In diesem Buch beschreibt sie ihren Weg von der akademischen Quantenphysik zu ihren eigentlichen Professorinnen, den Frauen der Chipko-Bewegung zur Bewahrung ihrer Wälder, die sie die Ökologie lehrten und in den Kampf gegen die Übermacht des großen Geldes führten.

Bereits 1981 wurde sie als Sachverständige vom Umweltministerium gehört. 1984 bei einer großen Dürre wurde ihr klar, dass die Gewalt der Grünen Revolution die Natur und die mit ihr im Einklang arbeitenden Bauern zerstörte. Ihr Widerstand erschöpfte sich nicht im Protest gegen etwas, sondern führte zu Gründung einer Samenbank, die zum Beispiel 3000 Reissorten rettet. Nicht nur wurde das Saatgut kostenlos abgegeben, ihre »Earth University« bildete auch mehr als 100.000 Bauern im biologischen Landbau aus.

1993 erhielt die Feministin, die die Rolle der Frauen für den Erhalt der Natur und ihrer Vielfalt immer betont, den »Right Livelihood Award« (gemeinhin Alternativer Nobelpreis genannt), und sie war weltweit unterwegs, um für ihre Anliegen zu werben: so bei der UNO und der FAO, im Schumacher College, auf Protestmärschen gegen Gentechnik. Sie ist Autorin von mehr als 25 Büchern und bis heute eine gefragte Vortragsrednerin und Interviewpartnerin – und für viele Leitfigur und Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Ihr gesamtes Lebenswerk ist von einer tiefen Liebe zum Leben und zur Freiheit durchdrungen. Es ist diese Liebe, die sie anspornt, all das zu verteidigen, was von Unfreiheit bedroht ist – Wälder, Flüsse, Saatgut, Boden, Biodiversität und auch die Menschen, die davon leben. Zusammen mit der quantenphysikalischen Erkenntnis, dass alles miteinander verbunden, alles eins ist, weiß sie Herz und Intellekt zu einer unschlagbaren Waffe im Kampf für das Leben zu vereinen.

Vandana Shiva in einem Interview, April 2021: »Alles, woran ich arbeite, entspringt meinem Innersten, meiner Liebe zum Leben und meiner Liebe zur Freiheit, was auch immer es sein mag: ob es der Schutz der Wälder oder des Saatguts ist oder das Zusammensein mit meinen Schwestern, den Bäuerinnen, deren Land und Boden es zu verteidigen gilt. Es geht darum, das Leben im Geist der Liebe zu verteidigen und die Freiheit im Geist des Widerstands gegen die Unfreiheit.«

„Vandana Shiva: Terra Viva – Mein Leben für eine lebendige Erde“ mit einem Vorwort von Renate Künast, Verlag Neue Erde.

Das könnte Sie auch interessieren: Der Dokumentarfilm „Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde“, aktuell zu sehen in der phoenix Mediathek.

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Filmtipp: Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde

Filmtipp: Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde

Wie wurde Vandana Shiva, die eigensinnige Tochter eines Waldschützers aus dem Himalaya eine ernstzunehmende Rivalin von Agrarkonzernen wie Monsanto? Der Dokumentarfilm „Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde“ von James und Camilla Becket erzählt die bemerkenswerte Lebensgeschichte der Öko-Aktivistin Dr. Vandana Shiva, wie sie sich den Großkonzernen der industriellen Landwirtschaft entgegenstellte und in der Bewegung für Biodiversität und ökologischer Landwirtschaft zur Ikone wurde. Sie inspirierte so weltweit zu einer Agrar- und Ernährungswende und wurde zu einer der wichtigsten Aktivistinnen unserer Zeit, wofür sie unter anderem den alternativen Nobelpreis erhielt.

„Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde“ konzentriert sich auf bahnbrechende Ereignisse, die ihr Denken formten, bevor sie den Kampf gegen ein mächtiges Agrarbusiness aufnahm. Seitdem inspiriert sie Menschen auf der ganzen Welt dazu, für eine gerechte Agrar- und Ernährungswende einzutreten und für das Überleben auf der Erde zu kämpfen.

Der Dokumentarfilm „Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde“ ist aktuell in der phoenix Mediathek zu sehen.

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VI. Öko-Marketingtage auf Schloss Kirchberg/Jagst: „Zeitenwende in der Bio-Branche – Neue Märkte, neue Strategien“

VI. Öko-Marketingtage auf Schloss Kirchberg/Jagst: „Zeitenwende in der Bio-Branche – Neue Märkte, neue Strategien“

Geschäftsführer:innen, Head of Marketing, Abteilungsleiter:innen von Bio-Produzenten, Handelsunternehmen und Bio-Fachverbänden sowie weitere Bio-Expert:innen – sie alle treffen sich am 8. und 9. November 2023 bei den VI. Öko-Marketingtagen auf Schloss Kirchberg/Jagst. Die hochrangigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutieren miteinander Themen wie den schrumpfenden Bio-Markt und den Einstieg der Discounter. In den Referaten kommen beispielsweise das Nutzungsverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten, neue Märkte und Strategien oder die erfolgreiche Vermittlung von Mehrwerten der Bio-Produkte zur Sprache. Gespräche am Rande der führenden Veranstaltung der nationalen Bio-Branche werden für das Networking und den Strategiedialog genutzt.

Zusätzlich zum Programm der eigentlichen Tagung am 8. und 9. November 2023 besteht die Möglichkeit, am 7. November an einem Vorprogramm zur Zukunft der Fleischerzeugung mit Blick auf biokonforme Haltung, ökologisch-tierschutzgerechte Schlachtung und klimafreundlicher Fleischerzeugung teilzunehmen. Abends ist die Akademie Schloss Kirchberg gemeinsam mit jungeAöL, BNN und iniciato Gastgeber des 1. Bio-FuN-Events „Failure & Success“.
 
Weitere Informationen zum Programm und Anmeldungen über:
www.akademie.schloss-kirchberg-jagst.de

Rückblick auf die V. Öko-Marketingtage 2022

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Vegan ist machbar: Potential einer umwelt- und klimafreundlichen Ernährung am Beispiel von Hochschulkantinen

Vegan ist machbar: Potential einer umwelt- und klimafreundlichen Ernährung am Beispiel von Hochschulkantinen

Zusammenfassung der Studienergebnisse

Unter dem Dachverband Deutsches Studierendenwerk (DSW) betreiben 57 Studierendenwerke ca. 400 Mensen an deutschen Hochschulen, was sie zu Deutschlands größten Gemeinschaftsverpflegern macht. Die Mehrheit der 2,9 Millionen Studierenden besuchen „ihre“ Mensa im Durchschnitt drei Mal pro Woche, insbesondere zum Mittagessen. Die Menüplanung kann sich auch auf das private Einkaufs- und Essverhalten auswirken. Mensen haben damit eine Vorreiterrolle für den Wandel des Ernährungssystems.  

Für ein ausschließlich fleischfreies Konzept haben sich bisher jedoch nur ein Zehntel der Studierendenwerke entschieden. Dies, obwohl mehr als ein Drittel (35,1%) der Studierenden Interesse an vegetarischer oder veganer Ernährung bekunden. Woran liegt dieser zögerliche Umbau der Kantinenlandschaft in Richtung pflanzlicher Ernährung? Und was könnte ihn befördern?

Mit diesen Fragen setzt sich die Masterarbeit von Luise Seiffert auseinander, die sie unter dem Titel: „Potential einer umwelt- und klimafreundlichen Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung als Maßnahme der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie am Beispiel von Hochschulkantinen“ veröffentlichte und im Masterstudiengang der Hochschule Bochum „Angewandte Nachhaltigkeit“ sowie auf Anregung des Instituts für Welternährung 2023 fertigstellte. Die Arbeit stützt sich auf die Erkenntnisse des Fachpersonals derjenigen Studierendenwerke mit mindestens einer rein veganen oder vegan-vegetarischen Mensa.

Eine Vorreiterrolle in der deutschen Mensenlandschaft nimmt das Studierendenwerk Berlin ein. Es betreibt drei der bisher neun fleischlosen Mensen in Deutschland. Warum die Berliner sich dazu entschlossen haben, zumindest ein Teil ihrer Mensen auf pflanzliche Kost umzustellen, lag nicht an politischen Beschlüssen des Senats oder der Berliner Hochschulverwaltung, sondern den Studienergebnissen zu Folge am Bedarf der Studierenden: „Unsere Klientel hat es sich gewünscht“. Die Berliner nehmen, ebenso wie die anderen Studierendenwerke mit einer fleischfreien Mensa, eine Vorreiterstellung in der deutschen Mensenlandschaft ein, in der eine klimafreundliche und damit pflanzenbetonte Kost bisher noch die Ausnahme ist.

Auch wenn längst anerkannt ist, dass unser Essen das Klima entscheidend prägt und damit über Hitzewellen, Stürme, Überflutungen und die Zukunft kommender Generationen entscheidet, und die industrielle Fleischproduktion als Hauptverantwortlicher für Klimagase im Ernährungssektor längst dingfest gemacht wurde, sind die Reaktionen darauf eher bescheiden. Mensen und andere Orte der Gemeinschaftsverpflegung könnten auf dem Weg zu einer klimaverträglichen Ernährung den Takt angeben und ihr Fleischangebot deutlich reduzieren. Die Hochschulen mit ihrem kritischen und umweltbewussten Klientel könnten dabei vorangehen und die Studierendenwerke sich an die Spitze der Bewegung stellen. Doch in der Praxis scheitert diese Option größtenteils an der Fleischtradition der Großküchen. Nicht nur beim Fachpersonal an den Töpfen und Pfannen, sondern auch bei den Studierenden.

Dass es dennoch zu drei fleischlosen Mensen in Berlin kam, lag laut den Erkenntnissen an den günstigen Bedingungen und dem spezifischen Potential bei den Studierenden, wie die Beobachtung des Küchenpersonals zeigt: „Das hat einiges damit zu tun, was an der Uni gelehrt wird“. Aber auch am Geschlecht der Studierenden: „Ich hätte es nicht zugeben wollen, aber […] ich glaube, […] Frauen [sind] dann doch eher geneigt, sich doch häufiger vegetarisch zu ernähren“. Zum anderen lag es aber auch an der der Motivation der Mensateams, die sich zur Umstellung bereitgefunden hatten: „Es braucht halt Leute, die es wollen“. Die Lust auf Neues, auf die Welt der veganen Küche, entscheidet beim Küchenpersonal über den Erfolg der Umstellung. Und was ebenfalls zählt, ist Engagement und Pioniergeist, den Mehraufwand der veganen Kost auf sich zu nehmen: „es ist halt einfach schwierig […] vegane Produkte in einer guten Qualität, in einer großen Menge herzustellen“. „[…] das haben wir […] gemerkt, der Speiseplan […] ist aufwändiger und das Kochen, die Produktion ist aufwändiger als in anderen Mensen“.

Hinzu kommt, dass die vegane Küche nicht von vornherein mit Zustimmung rechnen kann, auch nicht in Berlin, wie eine frühere Umfrage unter der Kundschaft zeigte: „Da gab es damals Gegenwind“. Das vermeintliche Grundrecht auf Fleisch wollte man sich nicht nehmen lassen. Auch innerhalb des Studierendenwerkes nicht: „Wir haben eben halt einen Versorgungsauftrag für alle Studierenden“. Und dieser Auftrag, so die vorherrschende Meinung in den Vorstandsetagen, schließe die Rücksicht auf die Traditionen des fleischliebenden Publikums mit ein. Alles andere hätte als Bevormundung wahrgenommen werden können, was dem Selbstverständnis der Studierendenwerke widersprochen hätte. Eine Grundüberzeugung, die wenig Spielraum lässt, wenn es um die Gründung neuer rein veganer Mensa geht. Doch in Städten wie Berlin wog dieser Vorbehalt nicht so schwer, denn es gab genügend Mensen mit fleischhaltigen Alternativen: „Wir sind hier in der bequemen Lage, dass wir sagen können, wenn du Fleisch essen willst, dann geh nach gegenüber“, was den Wandel zur fleischfreien Mensa begünstigt.

Dennoch, auch dort, wo heute noch Currywurst und Schnitzel zu den kulinarischen Highlights des Speiseplans gehören, wird sich in Zukunft etwas ändern müssen, so die Einschätzung des Fachpersonals: „Man muss […] nicht jeden Tag ein Kilo Fleisch essen“. Die Expertinnen und Experten halten Fleisch einmal die Woche oder Fleisch nur als Toppping des Gemüse- oder Salattellers, für eine gangbare Alternative als Zwischenschritt auf dem Weg zum klimaverträglichen Menü.

Was die vegane Mensa nach vorne bringt? Der Preis jedenfalls wird es nicht sein, so zeigt die Küchenpraxis: „Es sei ein Trugschluss zu meinen, vegan ist billiges Essen“. „Gute vegane Produkte kosten mindestens genauso viel in der Beschaffung wie gleichwertige artgerechte Fleischprodukte“. Was den Durchbruch brachte, war zielgerichtete Überzeugungsarbeit. Die Berliner haben mit den Studierenden und deren Vertretung die vegane Welle gepuscht und damit ihre Kundschaft für das rein vegane Mensenkonzept gewonnen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Richtungsentscheidung richtig war. Denn letztlich komme es auf die Glaubwürdigkeit an: „Also, wenn dann sollte man das auch wirklich konsequent machen. […] man kann sich drauf verlassen, das, was dasteht, ist vegan, da kannst du zugreifen. Diese Verlässlichkeit zieht“. Eine vegane Mensa, die an Ausnahmetagen Fleisch anbietet, könnte diese Zugkraft nicht entfalten, eher das Gegenteil.

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Offener Brief an die Kirchenpräsidentin zum Erntedankfest

Offener Brief an die Kirchenpräsidentin zum Erntedankfest

Erntedank ist der Tag, an dem Christinnen und Christen in unseren Breiten für die gute Ernte danken, die von den Feldern eingefahren werden konnte. Doch das ist heute nicht mehr selbstverständlich. Der Klimawandel, das Artensterben stellen dies mehr und mehr in Frage. Um diese wachsenden Risiken abfedern zu können, müsste Landwirtschaft auf den Äckern und Feldern wieder vielfältig und vielseitig werden. Doch das Bild der Vielfalt scheint leider noch nicht im Bewusstsein der Kirchenoberen angekommen zu sein. Zeit zur Besinnung, fordert Peter Wogenstein, Vorstand des IWE, in seinem offenen Brief an die Präsidentin.

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Offener Brief an EU-Präsidentin: 160 Organisationen fordern nachhaltige Ernährungspolitik

Offener Brief an EU-Präsidentin: 160 Organisationen fordern nachhaltige Ernährungspolitik

Über 160 Organisationen wenden sich heute in einem offenen Brief an die EU Präsidentin, Ursula von der Leyen, mit der dringenden Bitte: „Lassen Sie sich nicht vom Weg einer grünen nachhaltigen Politik abbringen.“ So fordert das Institut für Welternährung Frau von der Leyen auf: „Bleiben Sie bei Ihren Forderungen eines Green Deal. Halten Sie fest an dem sicherlich ambitionierten Vorschlag für einen EU weiten, gesetzlichen Rahmen für ein nachhaltiges Ernährungssystem in Europa (Framework for Sustainable Food Systems (FSFS)).“

Der Widerstand ist groß seitens der Agrarlobby. Die anstehenden Wahlen in Europa verstärken diesen Widerstand. Wird das Vorhaben, das „Flaggschiff“ der Farm to Fork Strategie, nicht auf den Weg gebracht, werden auch die Klima-, Umwelt- und Gesundheitsziele der EU verfehlt. „Vorausschauendes Handeln für eine nachhaltige und gesündere Ernährung im Rahmen der planetaren Grenzen ist dringend notwendig. So wie bisher und weiter so können wir nicht verantworten“, macht Peter Wogenstein, Vorstandmitglied des Institut für Welternährung e.V., deutlich.

Den offenen Brief an Ursula von der Leyen können Sie hier lesen.

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