Offener Brief an EU-Präsidentin: 160 Organisationen fordern nachhaltige Ernährungspolitik

Offener Brief an EU-Präsidentin: 160 Organisationen fordern nachhaltige Ernährungspolitik

Über 160 Organisationen wenden sich heute in einem offenen Brief an die EU Präsidentin, Ursula von der Leyen, mit der dringenden Bitte: „Lassen Sie sich nicht vom Weg einer grünen nachhaltigen Politik abbringen.“ So fordert das Institut für Welternährung Frau von der Leyen auf: „Bleiben Sie bei Ihren Forderungen eines Green Deal. Halten Sie fest an dem sicherlich ambitionierten Vorschlag für einen EU weiten, gesetzlichen Rahmen für ein nachhaltiges Ernährungssystem in Europa (Framework for Sustainable Food Systems (FSFS)).“

Der Widerstand ist groß seitens der Agrarlobby. Die anstehenden Wahlen in Europa verstärken diesen Widerstand. Wird das Vorhaben, das „Flaggschiff“ der Farm to Fork Strategie, nicht auf den Weg gebracht, werden auch die Klima-, Umwelt- und Gesundheitsziele der EU verfehlt. „Vorausschauendes Handeln für eine nachhaltige und gesündere Ernährung im Rahmen der planetaren Grenzen ist dringend notwendig. So wie bisher und weiter so können wir nicht verantworten“, macht Peter Wogenstein, Vorstandmitglied des Institut für Welternährung e.V., deutlich.

Den offenen Brief an Ursula von der Leyen können Sie hier lesen.

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IWE fordert gemeinsam mit 60 Organisationen FDP-Parteichef Lindner auf, Weg für Kinderschutz-Gesetz frei zu machen

IWE fordert gemeinsam mit 60 Organisationen FDP-Parteichef Lindner auf, Weg für Kinderschutz-Gesetz frei zu machen

60 Organisationen appellieren an FDP-Parteichef Christian Lindner, die von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplanten Werbeschranken für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt zu unterstützen. Mit „großer Sorge“ blicke man auf die ablehnenden Äußerungen aus der FDP. In einem offenen Brief an die Parteispitze fordern medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, Kinderrechtsorganisationen, Eltern- und Pädagogikverbände, Verbraucherschutz- und Ernährungsorganisationen sowie Ärzteverbände und Krankenkassen umfassende Werbeschranken für unausgewogene Lebensmittel.

„Deren Konsum“, so der Sprecher des Instituts für Welternährung Dr. Wilfried Bommert, „fördert nicht nur massives Übergewicht bei Kindern und untergräbt ihre Gesundheit. Wachsende Krankheitskosten drohen eine Milliarden Last für unser Gesundheitssystem zu werden. Frühzeitige Arbeitsunfähigkeit werde die Leistungskraft der gesamten Volkswirtschaft auf Dauer einschränken. Eine solche Entwicklung beschneidet die Freiheitsgrade künftiger Generationen und sollte von keiner Gesellschaft toleriert werden.“ Deutschland müsse auf dem Weg einer gesunden Ernährung vorausgehen. Dies besonders mit Blick auf die Länder des globalen Südens, wo die Junkfoodindustrie ihre Wachstumsmärkte gerade erst ausbaut, betont der Sprecher des Instituts für Welternährung anlässlich der Übergabe es offen Briefes an die FDP-Spitze.

Hier können Sie den offenen Brief an die FDP-Parteispitze „Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung unterstützen“ als PDF herunterladen.

IWEIWE fordert gemeinsam mit 60 Organisationen FDP-Parteichef Lindner auf, Weg für Kinderschutz-Gesetz frei zu machen
Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert: Vollwertiges, ökologisches Essen für alle – Ernährungsarmut beenden!

Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert: Vollwertiges, ökologisches Essen für alle – Ernährungsarmut beenden!

Seit die Preise für Lebensmittel steigen, steigt auch die Ernährungsarmut. Immer mehr Menschen können sich gesundes Essen nicht mehr leisten. „Billiges Fastfood“, so der Sprecher der Instituts für Welternährung Wilfried Bommert, „hat wieder Konjunktur. Die Gesundheit insbesondere der Kinder rutscht aus dem Blickfeld. Die des Planeten auch.“

Es ist höchste Zeit, dass die Agrar- und Ernährungspolitik hier Flagge zeigt. „Es geht darum“, so Bommert, „eine warme Mahlzeit pro Tag aus ökologisch erzeugten, gesunden Nahrungsmitteln für alle zu ermöglichen und dies für Kinder kostenfrei.“ Gesunde Ernährung müsse als öffentliche Aufgabe ernst genommen werden. Ökologisch, erschwinglich und verläßlich.

Das fordert das Institut für Welternährung gemeinsam mit 32 Organisationen der Zivilgesellschaft. Das Bündnis dringt darauf, das diese Prinzipien in der Ernährungssstrategie des Bundes fest verankert werden.

Wir fordern:

  1. Eine warme Mahlzeit pro Tag aus ökologisch erzeugten, gesunden Nahrungsmitteln allen Menschen zugänglich machen!
    Viele Menschen in Deutschland können sich eine warme Mahlzeit am Tag nicht regelmäßig leisten. Sie haben keinen Zugang zu gesunden, ökologisch hergestellten Lebensmitteln. Deshalb muss der Staat dafür Sorge tragen, dass es sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum Orte gibt, an denen täglich und für alle mindestens eine warme Mahlzeit im Sinne der „Planetary Health Diet“ angeboten wird. Dazu gehört auch, dass die Kita- und Schulverpflegung für alle Kinder beitragsfrei ist.
  2. Eine Grundsicherung, die eine gesunde, ökologische Ernährung ermöglicht
    Im Regelsatz sind derzeit nur 5,74 Euro pro Tag für drei Mahlzeiten inklusive Getränke vorgesehen. Für Kinder und Jugendliche ist der Betrag noch geringer. Das gefährdet die Entwicklung junger Menschen und verhindert soziale Teilhabe. Der Regelsatz muss soweit angehoben werden, dass eine gesunde, ökologische Ernährung im Sinne der “Planetary Health Diet” möglich ist. Umgehend muss außerdem eine Kindergrundsicherung eingeführt werden und so gestaltet sein, dass alle Kinder ausreichend versorgt werden können.
  3. Vollwertiges Essen aus ökologisch erzeugten, gesunden Nahrungsmitteln in allen öffentlich finanzierten Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung
    Die Politik muss auf allen Ebenen die Beschaffungs- und Vergaberichtlinien für Träger von öffentlich finanzierten Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung anpassen und Nachhaltigkeitskriterien verankern. Ziel sollte es sein, die Verwendung eines zunehmenden Anteils von Bio-Produkten verbindlich festzulegen und die Umstellung auf eine pflanzenbetonte, vollwertige Kost zu begleiten und zu überprüfen. Dabei muss die staatliche Refinanzierung der Träger und Einrichtungen die zusätzlichen Kosten für ökologischere und regionale Lebensmittel abdecken.
  4. Gesunde, ökologische Ernährung erlebbar machen
    Einrichtungen der öffentlichen Hand haben Vorbildfunktion und müssen ihrer Verantwortung für eine gesunde, nachhaltige Ernährung im Umgang mit Lebensmitteln und der Ernährungsbildung gerecht werden. Dazu sollen Kinder und Jugendliche in die Zubereitung der Mahlzeiten einbezogen und Ernährungskunde in den Lehrplan der Schulen aufgenommen werden. Es gilt, Schulküchen, Schulgärten und andere relevante Infrastruktur auf- bzw. auszubauen und das Fachpersonal in den Küchen und Lehrerzimmern, sowie Eltern und Erzieher:innen zu schulen und weiterzubilden. Als Vorbild beim Aufbau eines
    flächendeckenden Weiterbildungs- und Beratungsangebots können Projekte wie die “Kantine Zukunft”, Acker e.V. und viele weitere Initiativen dienen.
  5. Steuerfreiheit für pflanzliche Lebensmittel dient dem Klimaschutz
    Die Bundesregierung sollte die Mehrwertsteuer von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf 0 Prozent absenken. Mit der neuen EU-Mehrwertsteuerrichtlinie ist der Rahmen dafür geschaffen. Eine Steuerbefreiung schafft Anreize, mehr klimaverträgliche Nahrungsmittel zu erzeugen und zu essen und trägt damit dazu bei, die Klimaziele zu erreichen – denn das kann nur mit deutlich geringerem Konsum von Fleisch- und Milchprodukten gelingen. Und sie entlastet Verbraucher:innen, die unter den stark gestiegenen Lebensmittelpreisen leiden.

Die Pressemitteilung „Vollwertiges, ökologisches Essen für alle – Ernährungsarmut beenden!“ können Sie hier als PDF herunterladen.

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VI. World Organic Forum „Localizing SDGs. Climate Resilience and Global Equity“

VI. World Organic Forum „Localizing SDGs. Climate Resilience and Global Equity“

VI. World Organic Forum „Localizing SDGs. Climate Resilience and Global Equity“
26.-30. Juni, Schloss Kirchberg, Kirchberg/Jagst

Das World Organic Forum ist eine mehrtägige entwicklungspolitische Konferenz auf Schloss Kirchberg in Kirchberg an Jagst/ Deutschland. Die Akademie Schloss Kirchberg verfolgt unter dem claim „Localizing SDGs“ kontinuierlich das Ziel, die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung gemeinsam mit PartnerInnen aus allen Teilen der Welt praxisorientiert lokal zu verankern. Hierbei entsteht langfristig ein globales Netzwerk an SDG-Regionen, in denen die 17 SDGs in einem Bottom-Up-Prozess Stück für Stück erreicht werden. Die VertreterInnen der beteiligten Regionen und Initiativen treffen sich jährlich im Sommer auf Schloss Kirchberg, um den Lern- und Erfahrungstausch zur Schaffung einer zukunftsfähigen Welt im Rahmen der SDGs voranzubringen. Somit ist das Forum impulsgebender Ausgangsort, um die 17 Nachhaltigkeitsziele weltweit regional zu erreichen und mit Leben zu füllen – im Norden wie im Süden, im Westen wie Osten.

Beim VI. World Organic Forum 2023 werden in Verknüpfung mit den 17 Zielen die Themen Klimaresilienz sowie neue, auf Ressourcenschutz, Biodiversität und ganzheitlichen wirtschaftlichen Wohlstand für Bäuerinnen und Bauern ausgelegte Modelle regionaler Wertschöpfung und Fragen globaler Gerechtigkeit eine besondere Rolle spielen. Wir werden begleitet von renommierten ExpertInnen und ProtagonistInnen des Wandels aus der globalen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik, AktvistInnen sowie Bäuerinnen und Bauern aus den Regionen der Welt. Gemeinsam wollen wir Best-Practice-Beispiele kennenlernen, neue Lösungsansätze entwickeln und uns gegenseitig für ein neues Bewusstsein inspirieren, um die notwendigen lokalen Transformationen für eine nachhaltige Welt von Morgen kraftvoll voranzubringen! Das Forum bietet ein Spektrum verschiedener Formate wie Key Note Speeches, Podiumsgespräche, Workshops und Exkursionen. Das Programm wird von professionellen DolmetscherInnen übersetzt und kann auch digital über einen Online-Livestream verfolgt werden.

Das Konferenzprogramm des VI. World Organic Forum können Sie hier herunterladen. Zur Anmeldung geht es hier.

Foto: Seine Majestät Osagyefuo Nana Amoatia Ofori Panin Okyenhene mit seiner Reisegruppe auf dem Sonnenhof von Cristina und Rudolf Bühler © Akademie Schloss Kirchberg

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Studie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?

Studie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?

Die im Februar 2023 veröffentlichte Studie „Foodshed München – Bewertung des Einzugsgebiets und der potenziellen Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln in München.“ von Dr. José Luis Vicente-Vicente und Dr. Annette Piorr vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V. wurde vom Bundestagsbüro Karl Bär (Die Grünen) in Auftrag gegeben. Im Zentrum der Studie steht die Frage, inwieweit sich München nachhaltig aus der Region ernähren könnte.

Aus der Zusammenfassung:

„Wie in anderen Großstadtregionen etablieren sich in München und seinem Umland zunehmend neue und flexiblere Modelle von Produktion, Organisation und Konsum, die einen stärkeren Bezug zur Region und ihren Akteuren vor Ort aufweisen. Die Politik sieht hier einen wichtigen Ansatzpunkt, geeignete Rahmenbedingungen für gesunde Ernährungsweisen, faire Ernährungsumfelder und nachhaltigere Erzeugung in der Region zu schaffen.

Ein erster Schritt für Diskussionen und politische Prozesse in diese Richtung sind Potenzialstudien, wozu Foodshed-Modellierungen gehören. Sie berechnen das theoretische Einzugsgebiet von Lebensmitteln, also den Flächenumfang der nötig ist, um die BewohnerInnen unter Berücksichtigung ihres Konsumverhaltens an Lebensmitteln verschiedener Produktgruppen aus dem direkten Umfeld zu ernähren. Wobei lokale z.B. Anbaubedingungen, Erträge und landwirtschaftliche, aber auch naturräumliche Strukturen berücksichtigt werden. Szenarien erlauben die Berücksichtigung alternativer Produktionsmethoden, veränderter Ernährungsweisen, der Beibehaltung bestehender Spezialisierung auf Sonderkulturen oder der Wiedervernässung von Moorgebieten.

Foodshed für München und Region
Die Foodshedmodellierungen dieser Studie zeigen:

  • Eine regionale Versorgung innerhalb der räumlichen Grenzen der drei Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Schwaben wäre zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung Münchens und der genannten Regionen möglich. Lässt man die für den globalen Markt relevanten Anbauflächen für Hopfen unverändert, kann theoretisch in der Region immer noch mehr produziert als lokal verbraucht werden, sowohl bei rein konventioneller (Selbstversorgungsgrad rd. 160%) als auch bei rein ökologischer Bewirtschaftung (Selbstversorgungsgrad 117%). Das theoretische Nahrungsmitteleinzugsgebiet um München hätte entsprechend einen Radius von 114km (für konventionelle Produktion) gegenüber 125 km (für ökologische Produktion).
  • Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen entlang der Wertschöpfungskette (vor und nach der Ernte, bei Aufbereitung, Weiterverarbeitung, Lagerung, Vertrieb und Handel, in Haushalten) birgt weitere signifikante Flächenpotenziale. Weniger Nahrungsmittelabfälle lassen den Foodshed-Radius um bis zu 10 km sinken, und machen Flächenpotenziale frei für entsprechende alternative Nutzungen oder den Naturschutz.

  • Ernährungsumstellung ist ein weiterer wirksamer Hebel für die Erhöhung der Flächen- produktivität. Bei einer Halbierung des Verzehrs von Lebensmitteln tierischer Herkunft, einer Verdopplung des Gemüseverzehrs und deutlich erhöhtem Anteil von Hülsenfrüchten und Nüssen in der Ernährung könnte der Selbstversorgungsgrad bei konventionellem Anbau auf 172% und bei ökologischem Anbau auf 135% steigen.

  • Die Wiedervernässung ehemaliger Moorflächen wird wegen ihrer Funktion als möglicher Kohlenstoffspeicher als Strategie zum Klimaschutz vielerorts diskutiert. Solche Flächen finden sich auch im Gebiet der drei Regierungsbezirke, die das potenzielle Nahrungseinzugsgebiet für München und Region ausmachen. Sie umfassen etwa 6% der landwirtschaftlichen Nutzfläche und weisen eine überdurchschnittliche Produktivität auf. Würde man diese Flächen aus der Nutzung nehmen und wiedervernässen, blieben die Einbussen am potenziellen Selbstversorgungsgrad im einstelligen Bereich (9,89% bzw. 7,25%).

  • Es wäre also möglich, selbst bei Wiedervernässung ehemaliger Moore, die Region aus den eigenen Flächenpotenzialen nachhaltig und divers zu ernähren, und gleichzeitig für den Weltmarkt zu produzieren, im Umfang von 10%-50% der regional abgesetzten Produktmengen (wobei Anbaugebiete für Hopfen im bisherigen Umfang und Markt agieren würden). Bei zusätzlicher Umstellung der Ernährung könnten Moorschutz und gesunde 100% regionale Ernährung sogar noch Exportpotenziale von >25% (ökologisch) – >60% (konventionell) realisieren lassen.

  • Für die Interpretation der Ergebnisse dieser Studie ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass es sich um theoretische Modellierungen handelt. Die kreisförmige Repräsentation des Flächenbedarfs für das Nahrungsmitteleinzugsgebiet (Foodshed) in den Abbildungen dieser Studie soll primär einen Eindruck der Größe des möglichen Gebietes für regionale Ernährung vermitteln, wenngleich in der Praxis die Definition von Regionalität bzw. des Einzugsgebietes für unterschiedliche Produktgruppen durchaus Sinn macht.

  • Auch ist zu berücksichtigen, dass im Vergleich von konventioneller und ökologischer Be- wirtschaftung der Flächenbedarf (der beim ökologischen Landbau höher ist) lediglich ein relevanter Aspekt ist. Auf den Umstand, dass im konventionellen System mehr Betriebsmittel (z.B. Futtermittel auf Sojabasis) andernorts hergestellt werden und dort ihren Flächenfootprint hinterlassen, häufig verknüpft mit dortigen teils unerwünschten Umweltwirkungen, konnte im Rahmen dieser Studie nicht vertieft eingegangen werden.“

Die komplette Studie können Sie hier als PFD herunterladen.

IWEStudie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?
Bundestag beschließt Bürgerrat – Gesundes Essen für einen gesunden Planeten

Bundestag beschließt Bürgerrat – Gesundes Essen für einen gesunden Planeten

Der Bundestagsbeschluss vom 10. Mai für einen Bürgerrat zur „Ernährung im Wandel“ könnte frischen Wind in die Debatte um die Zukunft unserer Ernährung bringen, wenn dem Rat genügend Mitsprache und Entscheidungsfreiheit im Prozess seiner Beratungen eröffnet wird. Hieran mangelt es nach Ansicht des Instituts für Welternährung (IWE) noch im Beschluss des Bundestages. Hier muss nachgebessert werden, um dem Bürgerrat zur „Ernährung im Wandel“ den Raum für ein freies und unabhängiges Urteil zu geben, erklärt Wilfried Bommert, Sprecher des Instituts für Welternährung – World Food Institute e.V. Berlin.

Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass unsere Art der Ernährung und Landwirtschaft global massive Konsequenzen hat. Sie verschärft die Klimakrise, schädigt die Artenvielfalt, wie auch die Wasservorräte der Erde. Sie treibt die Preise bei Nahrungsmitteln und forciert Hunger und Unterernährung vor allem im globalen Süden. Der beschlossene Bürgerrat zur „Ernährung im Wandel“, so Bommert, müsse Maßstäbe setzen für gesundes Essen auf einem gesunden Planeten – bei uns und überall.  

Gemeinsam mit dem Netzwerk der Ernährungsräte Deutschland begrüßt das Institut für Welternährung (IWE) den Beschluss, einen Bürgerrat zur „Ernährung im Wandel“ ins Leben zu rufen als wichtigen ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Ernährungsdemokratie. Das in Deutschland noch recht neue Beteiligungsformat Bürgerrat könne dazu beitragen, neues Vertrauen in die Kraft der Demokratie zu begründen. Es stelle durch die direkte Bürgerbeteiligung eine basisdemokratische Ergänzung der repräsentativen Parteiendemokratie dar. 

Valentin Thurn, Netzwerkvorstand, erwartet vom ersten Bürgerrat zur „Ernährung im Wandel“, dass die Teilnehmenden am Bürgerrat den nötigen Freiraum erhalten und nutzen werden, insbesondere wenn es um die Marktmacht von Handelsketten und großen Lebensmittelkonzernen gehe, und Wege zu einem am Gemeinwohl orientierten Agrar- und Ernährungssystem finden werden. Bürgerräte könnten die gesellschaftliche Debatte über die großen Fragen unserer Zeit wie den nachhaltigen Wandel unseres Landwirtschafts- und Ernährungssystems bei uns und auf globaler Ebene voranbringen. 

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Hunger nach Taten

Hunger nach Taten

Kommentar von Wilfried Bommert 

Sind wir noch entsetzt, wenn wir hören, dass eine viertel Milliarde Menschen nicht weiß, was sie heute oder morgen essen wird? Dass mehr als 800 Millionen Menschen hungrig aufstehen? Mehr sterben als leben? Und dass sich das alles in den kommenden Monaten und Jahren noch verschärfen wird? Der Generalsekretär der Vereinten Nationen spricht bei der Vorlage dieses Drehbuchs des Grauens und der Unbarmherzigkeit von „menschlichem Versagen“. Wer hier versagt? Wir ahnen es, aber wir möchten es doch nicht wissen. Weil wir es sind!

Tragen wir Verantwortung am Schicksal der Menschen in Somalia, Kenia, der Kinder im Sudan, im Jemen, in Eritrea, der Frauen in Afghanistan? Sind wir es, die die Kriege ermöglichen, die Dürren, Hitzewellen am Horn von Afrika, die Überschwemmungen in Pakistan mit verschulden? Die zusehen, wie die Preise für Getreide und Brot um 60 Prozent steigen und uns achselzuckend abwenden? Haben wir nicht selbst hinreichende Probleme mit unseren Heizkosten, den Lebensmittelpreisen – und Corona ist auch noch nicht so recht ausgestanden? Kann die Welt, der Hunger, das Klima da warten? 

Nein, sie dreht sich einfach weiter. Und wir, wir fahren immer tiefer in die Krisen. Dabei wissen wir sehr gut, was hier und jetzt zu tun wäre, um die Wende einzuleiten. Den Kriegen die Mittel entziehen und sie nicht länger mit unserem Durst nach Öl anfeuern. Den Viren wie Corona keine Chance mehr geben, aus der Wildnis zu uns überzuspringen. Von Urwäldern und Rückzugsgebieten der Natur die Finger lassen. Den Klimakillern und dabei vor allem dem industriellen Mastfleisch den Kampf ansagen. Unsere Landwirtschaft vom Tropf der Fossilen abkoppeln. Bei Wind- und Sonnenenergie Tempo zulegen. Regenerative Landwirtschaft auf die Wiesen und Felder bringen. Energiewende, Ernährungswende, Agrarwende: Wir wissen, wo und wie die Zukunft entschieden wird. Und dass daran nicht nur unser Wohl hängt, sondern das aller Menschen. 

Wir hier entscheiden, ob sich die Teller der Welt füllen oder leer bleiben. Der Kampf gegen den Hunger beginnt bei uns, das macht ihn nicht leichter, aber erfolgreicher, wenn wir ihn denn ernst nehmen. Der unerträgliche Hunger, den die Vereinigten Nationen so vehement beklagen, verlangt nach Taten, nach unseren!

Den „Global Report on Food Crises 2023“ können Sie hier lesen. 

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Neues Bildungsprojekt von Slow Food: Green Spoons – Löffel für Löffel biologische Vielfalt stärken

Neues Bildungsprojekt von Slow Food: Green Spoons – Löffel für Löffel biologische Vielfalt stärken

Mit jeder Mahlzeit nehmen wir Einfluss auf die biologische Vielfalt. Viel Verantwortung, die den meisten Menschen gar nicht bewusst ist. Mit Green Spoons möchte Slow Food Deutschland (SFD) junge Erwachsene befähigen, kluge und nachhaltige Ernährungsentscheidungen zu treffen. Das Projekt wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz (BfN)gefördert.

Für den Schutz der Biodiversität spielt die Art der landwirtschaftlichen Produktion eine entscheidende Rolle. Mit dem neuen Bildungsprojekt „Green Spoons – Löffel für Löffel biologische Vielfalt stärken“ vermittelt SFD Kindern und Jugendlichen die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Biodiversität.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Projektstart: „Viele Tier- und Pflanzenarten der offenen Landschaften sind durch die Intensivierung der Landnutzung stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Doch wir können durch unsere Ernährung und durch bewusste Kaufentscheidungen, von beispielsweise regionalen Lebensmitteln, einiges beitragen zu mehr Arten- und Ressourcenschutz. So können wir eine echte Trendwende unterstützen – die Natur hat sie dringend nötig.“

Slow Food Deutschland möchte jungen Erwachsenen Lust machen, zu dieser Trendwende
beizutragen und positive ökologische Fußabdrücke zu hinterlassen, indem sie sich mit ihren Ernährungsgewohnheiten innerhalb der planetaren Grenzen bewegen und für Vielfalt auf Äckern und Weiden, in Gewässern und Gärten mitsorgen.

Gemeinsam mit wissenschaftlichen und pädagogischen Fachleuten werden für Lehrkräfte Module zu Ernährung in Bezug zu Boden (2023), Wasser (2024) sowie Klima (2025) entwickelt und bundesweit an fünf Pilotschulen erprobt. Als Blended-Learning-Konzept verbinden die Module digitales und analoges Lernen auf innovative Weise und sind leicht in den Stundenplan zu integrieren. Sie lassen sich sowohl im Klassenzimmer als auch im außerschulischen Kontext anwenden. Auf der interaktiven Homepage greenspoons.slowfood.de sind die Bildungsmodule sukzessive und frei zugänglich.

Den Anfang macht ab sofort der Boden. Zum Bildungsangebot gehören u. a. Rätsel, Videos, Podcasts und Anleitungen, die die Jugendlichen und ihr familiäres Umfeld in den Lernprozess einbeziehen und zum selbstständigen Erforschen und Lernen animieren. Es wird außerdem Multiplikator*innen-Workshops und Broschüren geben.

Nina Wolff, SFD-Vorsitzende, fasst das Ziel des Projektes zusammen: „Bei Green Spoons geht es uns nicht um eine reine Wissensvermittlung. Gerade wegen der Warnungen zum rasanten Biodiversitätsverlust seitens der Wissenschaft möchten wir es den Heranwachsenden schmackhaft machen, sich eigenverantwortlich einzubringen. Sei es durch das Probieren von mehr ökologisch erzeugten Grundnahrungsmitteln aus der Region sowie das Kennenlernen von Menschen aus Produktion und Handwerk, durch Vermeidung von Lebensmittelverschwendung oder einen reduzierten Konsum tierischer Erzeugnisse.“ Die Vermittlung von Handlungsoptionen und -spielräumen soll das Überdenken von Gewohnheiten bewirken und neue, der Biodiversität zuträgliche Verhaltens- und Ernährungsweisen unterstützen.

Das Projekt „Green Spoons“ wird gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

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Politik muss Schulverpflegung zur Chefsache machen: Interview mit Ernährungswissenschaftler Prof. Volker Peinelt

Politik muss Schulverpflegung zur Chefsache machen: Interview mit Ernährungswissenschaftler Prof. Volker Peinelt

Gutes Essen hält Leib und Seele zusammen. An Kitas und Schulen kümmert das offensichtlich kaum. Das Essen unserer Kinder spielt im Lehrplan keine Rolle. Auch wenn es von Experten mangelhaft und ungenügend bewertet wird, kann es sich weiter halten, Hauptsache der Preis stimmt. Satt und billig ist die Devise, mit der die Esskultur kommender Generationen vergeigt wird. Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper und der eine gesunde Ernährung. Der Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Volker Peinelt fordert seit Jahren eine bessere Verpflegung an deutschen Schulen, und zwar kostenfrei. Das würde gerade mal 10% der Subventionen ausmachen, die bei uns von Staat für klimaschädliche Dienstwagen spendiert werden. Karin Vorländer fragte ihn, was sich in deutschen Schulmensen ändern muss.

Herr Professor Dr. Peinelt, Sie machen sich als Ernährungswissenschaftler seit vielen Jahren für Verpflegung an Schulen stark. Warum ist Ihnen das Thema Schulverpflegung so wichtig?

Hierfür gibt es mehrere Gründe. In der Jugend wird der Grundstein für eine gesunde Ernährung gelegt. Bis zu 20% der Jugendlichen in Deutschland sind übergewichtig und viele werden ihr Übergewicht als Erwachsener beibehalten. Damit sind meist zahlreiche Erkrankungen verbunden, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus[1]. Ein hochwertiges und schmackhaftes Mensaessen in Verbindung mit Ernährungsunterricht kann somit einen maßgeblichen Beitrag für die Volksgesundheit leisten.

Außerdem sollten auch praktische Fertigkeiten für die Zubereitung von Speisen erworben werden. Nur wenn Schüler über Jahre Unterricht in Theorie und Praxis der Ernährung erhalten, können bessere Ernährungsgewohnheiten dauer­haft geprägt werden.

Ein weiterer Grund ist der Einfluss, der durch staatliche Maßnahmen und vorgegebene Qualitäts-Standards auf die Schulverpflegung ausgeübt werden kann. Allerdings reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus. An der Hochschule Niederrhein wurde ein Konzept für die Schulverpflegung entwickelt, mit dem sie auf ein hohes Niveau gebracht werden könnte.

Welche positiven Effekte für Klimaschutz und Umwelt könnten mit einer guten Schulverpflegung einhergehen?

Die Ernährung hat einen großen Einfluss auf das Klima und die Umwelt. Im Vordergrund steht der zu hohe Fleischkonsum. Dieser müsste drastisch reduziert werden, um die CO2-Emissionen zu mindern. Die Verringerung des Fleischverzehrs kann in der Schule durch geeignete Rezepte kennengelernt werden. Der aktuelle Trend zur veganen Ernährung ist hilfreich. Des Weiteren müsste der Anteil an Bio-Lebensmitteln erhöht werden.

Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Maßnahmen notwendig, um den Carbon-Footprint in der Schulverpflegung zu verringern, z.B. die Reduzierung der Speisenabfälle oder der Einsatz energiesparender Geräte. In den Q-Standards werden einige Vorgaben gemacht, die allerdings nicht verbindlich sind und noch ausgeweitet werden müssten.

Wo hapert es in Deutschland bei der gegenwärtigen Schulverpflegung? Worin sehen Sie die Gründe für die Mängel und Defizite?

Nachfolgend werden einige wichtige Punkte genannt:

  • In Deutschland fehlt ein bundesweiter Masterplan, der alle wesentlichen Aspekte der Schulverpflegung verbindlich regelt. Wegen der Zuständigkeit der Bundesländer für die Schulverpflegung könnte dieser aber nur dann realisiert werden, wenn das Grundgesetz geändert wird. Das sind hohe Hürden.
  • Hierzulande werden überwiegend die falschen Verpflegungssysteme eingesetzt, nämlich die Warmverpflegung und die Frischkost. Die Warmverpflegung liefert meist wegen langer Heißhaltezeiten eine schlechte Qualität (oft ≥4 Std). Da dieses System aber am billigsten ist und geringe Anforderungen stellt, wird es häufig gewählt. In Deutschland ist der Preis wichtiger als die Qualität. Würde man die Warmverpflegung so optimieren, dass sie akzeptabel wäre, müssten viele Änderungen vorgenommen werden, wodurch der Preis deutlich steigen würde. Andererseits sind für die Frischkost zahlreiche Voraussetzungen meist nicht erfüllt und in Deutschland auch nicht erfüllbar. Es fehlen insbesondere Küchenfachkräfte, die für dieses System sehr gut qualifiziert sein müssen. Die Zahl der Koch-Lehrlinge geht aber seit Jahrzehnten kontinuierlich zurück und die Abbrecherquote ist sehr hoch (60 %)[2]. Woher sollen also die nötigen Küchenfachkräfte kommen? Außerdem ist der Investitions- und Raumbedarf bei dieser Kostform am höchsten. Die nötigen Finanzmittel, vom Staat subventioniert, fehlen ebenfalls und müssten über die Essenspreis reingeholt werden, was wegen der starken Preissensibilität nicht gelingen kann. Obwohl die fehlenden Voraussetzungen bekannt sind, wird an diesen Systemen festgehalten.
  • Eine wesentliche Anforderung an jede Verpflegung ist ein umfassendes Hygiene-Konzept. Wie z.B. in einer Umfrage an Gymnasien in NRW ermittelt werden konnte, hatte etwa die Hälfte kein solches Konzept vorzuweisen. Die Mensen in diesen Schulen müssten daher geschlossen werden, was aber nicht geschah.
  • Der Staat müsste schlechte Systeme der Schulverpflegung durch gute ersetzen. Das geht nur mit einem geeigneten Q-Standard sowie einer darauf basierenden Zertifizierung, wobei alle wesentlichen Aspekte der Schulverpflegung jährlich überprüft werden müssten. Es gibt zwar offizielle Q-Standards für die Schulverpflegung[3], doch deren Einhaltung ist freiwillig! Außerdem reicht der Umfang dieser Q-Standards nicht aus, der im Übrigen diverse Schwächen aufweist. Der Staat lässt also seit Jahrzehnten eine insuffiziente Schulverpflegung gewähren, obwohl diese mit einer verpflichtenden Zertifizierung schon längst hätte beseitigt werden können.
  • Hinzu kommt, dass es in deutschen Schulen keine Verzehrspflicht gibt, weshalb in den weiterführenden Schulen oft nur 10 % und weniger der Schüler am Essen teilnehmen. Diese niedrige Beteiligung erhöht die Vollkosten für ein Essen bis auf 10 €[4]. Welche Eltern können sich das leisten? Bei einer Verzehrspflicht mit hoher Essensteilnahme könnten die Preise durch niedrige Fixkosten hingegen stark reduziert werden.

Was müsste aus Ihrer Sicht dringend geschehen, damit flächendeckend eine gesunde und nachhaltige Schulverpflegung zu erschwinglichen Kosten angeboten werden kann?

Die notwendigen Maßnahmen, um die gravierendsten Mängel in der Schulverpflegung zu beheben, sind zwar sehr herausfordernd, wären aber mit unserem Konzept[5] mittelfristig umsetzbar.

Zunächst müsste die Zertifizierungspflicht mit einem hinreichenden Prüfkatalog eingeführt werden. Eine solche Zertifizierung mit jährlichen Folgeprüfungen könnte ein dauerhaft hohes Niveau der Schulverpflegung sicherstellen. Dies schließt v.a. die gesundheitlichen und ökologischen Aspekte ein. Hierbei würde aber auch die sensorische Qualität des Essens geprüft. Die Hochschule Niederrhein hat ein solches Konzept schon vor 20 Jahren entwickelt. Es wird aktuell vom TÜV Rheinland umgesetzt[6] und könnte in relativ kurzer Zeit in ganz Deutschland eingeführt werden, wobei pro Essen nur ein Cent (!) Mehrkosten anfielen. Weder an der Finanzierung noch an den Prüfkapazitäten würde die Zertifizierung scheitern.

Dann müssten alle Anstrengungen auf die Einführung der für Deutschland am besten geeigneten Verpflegungssysteme gelegt werden. Das sind die temperaturentkoppelten Systeme. „Cook & Chill“ oder „Cook & Freeze“ sind solche Verfahren, bei denen das Essen zentral zubereitet und dann schockgekühlt wird. An der Schule braucht das Essen nur noch erwärmt zu werden. Die Qualität dieser Gerichte ist in jeder Hinsicht mit der Frischkost vergleichbar. Die Nachteile der Frischkost entfallen hier allerdings. Um diese Einführung zu erreichen, müssten alle Kräfte gebündelt werden, wozu z.B. auch die Vernetzungsstellen gehören.

Mit diesen beiden wichtigsten Maßnahmen kommt es automatisch im Laufe der Jahre zu einer Verbesserung der Schulverpflegung. Ein dauerhaft hohes Niveau ergibt sich aus den regelmäßigen Audits, die im Rahmen der Zertifizierung durchgeführt werden. Es bedarf also keiner Appelle seitens des Staates und keiner umfangreichen Aktivitäten durch die Schule selbst. Das System optimiert sich ständig selbst, ist extrem billig und absolut zuverlässig.

Gibt es Länder, in denen die Situation deutlich besser ist und die sozusagen als Modell dienen könnten?

Es gibt viele Länder, die ein besseres Konzept als Deutschland entwickelt haben und praktizieren. Zu nennen ist insbesondere Japan, das bereits nach dem Zweiten Weltkrieg damit begonnen hat, ein fast lückenloses Frischkostsystem landesweit aufzubauen. Dies nachzuahmen würde in Deutschland sehr lange dauern. Daher bietet sich für Deutschland ein temperaturentkoppeltes System an, das zu ähnlich guten Ergebnissen führen würde und schneller umsetzbar wäre.

Sie plädieren für eine Verzehrspflicht. Wäre das Schulessen dann Teil des Stundenplans?

Eine Verzehrspflicht sollte erst dann eingeführt werden, wenn die Zentralküche und die Schule zertifiziert wurden. Somit wäre auch eine gute sensorische Qualität sichergestellt. In Japan gibt es die Verzehrspflicht schon seit langem, ohne dass sich jemand daran stört. Im Rahmen des Ernährungsunterrichts nehmen die Schüler am Essen teil. Das heißt aber nicht, dass die Schüler zum Essen gezwungen werden, wenn es ihnen nicht schmeckt. In Japan wird erfolgreich eine Salamitaktik angewandt, bei der ein Schüler wenigstens etwas von Speisen probieren muss, die ihm nicht schmecken. Im Laufe der Zeit erweitert sich so das Akzeptanzspektrum, was eine vielfältigere und somit auch gesündere Ernährungsweise bedeutet.

Gibt es Berechnungen, wie teuer eine kostenlose Schulverpflegung für alle wäre?

Ja, die gibt es. Die sog. Vollkosten hängen von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Teilnehmerzahl. Zusammengefasst kann man heute von Vollkosten (inkl. eines Gewinns) von ca. 6 € pro Essen ausgehen. Bei 3,2 Mio Schülern[7] und einer Essensteilnahme von i.D. 30 % entstünden in Deutschland Gesamtkosten von ca. 1-1,5 Mrd. Euro. Diese Gesamtkosten entsprechen nur ca. 10% der Subventionierung klimaschädlicher Dienstwagen in Deutschland[8]. Dies zeigt, wo die Schulverpflegung auf der Prioritätenliste deutscher Politik steht.

Was wäre zu tun?

Die Schulverpflegung darf nicht länger ein Mauerblümchen-Dasein in der Politik fristen, sondern müsste zur Chefsache gemacht werden. Dabei muss auch endlich die qualitätshemmende Preisfixierung zugunsten klar definierter und verbindlicher Qualitätskriterien aufgegeben werden. Nicht zuletzt sollte klar sein, dass Appelle zur Freiwilligkeit von Qualitätsmaßnahmen wertlos sind und daher durch eine Zertifizierungspflicht ersetzt werden müssten.


[1] (Hrsg.): 14. Warlich Druck, Meckenheim, 2020, 473 S., hier: Kap. 1.4, S. 78ff

[2] Peinelt, Gemüth (2016 bzw. 2020): Produktionssysteme in der GG. (S. 18). https://ewd-gastro.jimdo.com/speisenangebote/produktionssysteme/

[3] DGE: Qualitätsstandards für Kitas, Ganztagsschulen, Betriebe, Unternehmen, stationäre Einrichtungen, Essen auf Rädern und Rehabilitationskliniken, Bonn 2007-2015. https://www.dge.de/gv/dge-qualitaetsstandards/?L=0

[4] Peinelt (2015): Kosten der Verpflegungssysteme. https://ewd-gastro.jimdo.com/schulverpflegung/kosten-fuer-mittagessen/

[5] Peinelt (2023): 7-Punkte-Konzept für die Schulverpflegung. https://ewd-gastro.jimdo.com/schulverpflegung/7-punkte-konzept/

[6] Peinelt (2021): Offizielles Konzept „Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie“. https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/ausgezeichnete-gg/

[7] NQZ (Nationales Qualitätszentrum für Ernährung in Kitas und Schulen): Zahlen und Fakten zur Schulverpflegung. https://www.nqz.de/schule/zahlen-fakten/keyword=Zwischenmahlzeiten

[8] DUH: Deutsche Umwelthilfe fordert sofortigen Stopp der Subventionierung von klimaschädlichen Dienstwagen mit Verbrennungsmotor. 5.10.2020. https://www.presseportal.de/pm/22521/4725274

IWEPolitik muss Schulverpflegung zur Chefsache machen: Interview mit Ernährungswissenschaftler Prof. Volker Peinelt
Alternative zu Herbiziden: Landwirtschaft ohne Glyphosat

Alternative zu Herbiziden: Landwirtschaft ohne Glyphosat

Der neue Bericht „Alternative zu Herbiziden – Landwirtschaft ohne Glyphosat“ von PAN Europe in Zusammenarbeit mit der europäischen Fraktion der Grünen/EFA zeigt, dass es für alle bekannten Hauptanwendungen von Herbiziden auf Glyphosatbasis wesentlich sicherere nicht-chemische Alternativen gibt, sowohl Low- als auch Hightech-Verfahren. Der Bericht schlägt zudem Maßnahmen vor, wie der Übergang zu einer glyphosatfreien Landwirtschaft wirtschaftlich tragfähig machbar ist. In diesem Jahr entscheidet die EU über die Wiederzulassung von Glyphosat.

Im Rahmen der Veröffentlichung der Studie findet am 11. April um 13 Uhr eine Online-Panel-Diskussion statt. Nähere Informationen und die Anmeldung finden Sie hier.

Die deutsche Kurzfassung des Berichts können Sie hier als PDF herunterladen, die komplette englische Fassung hier.

IWEAlternative zu Herbiziden: Landwirtschaft ohne Glyphosat