Buchbesprechung: „Der Grund“ von Tanja Busse und Christiane Grefe

Buchbesprechung von Wilfried Bommert

Ist doch bekannt, werden viele sagen. Konflikte um den Boden, von dem wir leben, tragen Experten nun schon seit Jahren vor. Was also ist das Neue, das dieses Buch der Journalistinnen Tanja Busse und Christiane Grefe auszeichnet, es lesenswert macht? Es ist die Zusammenschau der Trends, die die Grundlage unseres Lebens vernichten. Der Boden gehört zu den gefährdetsten und umkämpftesten Gütern auf unserem Planeten. Tanja Busse und Christiane Grefe gelingt es in ihrem Buch „Der Grund“, dies umfassend und vielseitig zu dokumentieren.

Da ist einmal der massive Verlust an Bodenfruchtbarkeit durch die Art der Bewirtschaftung. Der ist zwar spätestens seit 1930  in den USA ein Thema. Bekannt wurde er durch den Oklahoma Dust Bowl, eine riesige Staubwolke, mit der der Boden der Prärielandschaften Nordamerikas im wahrsten Sinne des Wortes weggefegt wurde. Grund war hier ein gravierender Fehler in der Bewirtschaftung.

Weltweit schwindet trotz dieser Warnung die Ackerkrume weiter.  Monokulturen der industriellen Landwirtschaft zehren an der Bodenfruchtbarkeit und tragen Verantwortung für das weltweite Artensterben. Gleichzeitig vernichtet die globale Klimakrise immer mehr fruchtbare Äcker und erschüttert damit zunehmend die Fundamente der Welternährung. Dieser Trend setzt sich durch unsere Art der Mobilität weiter fort. Autogerechte Städte fressen sich immer weiter in das Umland, neue Siedlungen suchen den Druck der Millionenstädte abzumildern, besonders rasant verschwindet der Boden in den Ländern des Südens. Raubbau an der Grundlage der Menschheit ist universal.

Auch bei uns verschlingt die Gier nach immer mehr Flächen für Autoverkehr, Wohnbebauung und Photovoltaik immer mehr Land. Investoren bereiten den Weg. Der Boden auf dem unsere Ernährung, unsere Kultur und unsere Wirtschaft fußt, ist zu einem bloßen Wirtschaftsgut geworden. Ein Handels- und Spekulationsobjekt. Besonders im globalen Süden, wo die Landnahme keine Grenzen kennt. Bodenschutzkonzepte, Bauplanungen, die im Grundgesetz verankerte Pflicht, Eigentum zum Nutzen der Allgemeinheit zu verwalten, konnten diesem stillen Exodus bisher nichts entgegensetzen. Politischen Initiativen fehlt schlicht die Durchsetzungskraft, gegen die Interessen, denen die kommende Bodenlosigkeit egal ist.

Dieses Lagebild, das die Autorinnen Tanja Busse und Christiane Grefe zeichnen, könnte finsterer kaum sein. Doch sie haben erkannt, dass die Apokalypse in Resignation endet. Von dieser Einsicht getragen ist dann auch im Schlussteil des Buches die ausführliche Darstellung von Projekten, die unter den Radar der großen Politik eine Wende markieren könnten. Land, das wieder als allgemeines Gut verwaltet wird, mit regenerativen Ideen und von Höfegemeinschaften. Zivilgesellschaftliche Ernährungsräte rücken es wieder als Quelle der regionalen Ernährung in den Mittelpunkt. Eine Gesellschaft der Kümmerer sorgt dafür, dass der Bodenschutz in allen Bereichen zum Thema wird oder zumindest werden könnte.

Gemeinwohl ist für die Autorinnen der Kernpunkt einer zukünftigen Bodenpolitik. Ein neuer Kompass, an dem sich die Politik von Berlin bis Brüssel orientieren sollte. Die Journalistinnen Tanja Busse und Christiane Grefe schlagen am Ende ihres aufrüttelnden Buches vor, nicht auf den Weitblick der Institutionen zu hoffen, sondern den Weg in und durch die Institutionen selbst zu suchen. Ihr Rezept: Rein in die Parteien, rein in die Verwaltungen, rein in die Nichtregierungsorganisationen. Weil es sich aus ihrer Sicht lohnt, „in einen guten Umgang mit dem Boden Zeit und Herzblut zu investieren“. Und weil die Kräfte der Natur stark genug sein werden, Verlorenes wieder zurückzubringen.

Dieses Pathos am Ende ihres herausfordernden Werkes wäre vielleicht gar nicht notwendig gewesen, um die Leser davon zu überzeugen, dass es für eine Neubesinnung höchste Zeit ist. Denn dafür, das zeigt uns das wichtige und lesenswerte Buch von Tanja Busse und Christiane Grefe, gibt mehr als nur einen guten Grund.

Das Buch „Der Grund“ von Tanja Busse und Christiane Grefe ist im März 2024 im Verlag Antje Kunstmann erschienen.

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