Kommentar von Wilfried Bommert
Es sollen tausende Bauern und Bäuerinnen gewesen sein, die in Münster – an der Grenze des deutschen Schweinegürtels – gegen eine Verordnung auf die Straße zogen, die unsere Grund- und Trinkwasservorräte schützen soll. Die verhindern soll, das die gesundheitlich bedenklichen Nitratwerte im Grundwasser weiter steigen. Die vor allem der Mastindustrie, die mit ihren Abfällen Landschaft und Wasser verpestet, Grenzen setzen will. Die Bauernverbände, die die Demo organisierten, bezeichnen diese Verordnung als „Angriff auf die Landwirtschaft“. Doch auf welche Landwirtschaft?
Auf die, die in immer größeren Mastfabriken das Tierwohl mit Füßen tritt? Die ihr Mastfutter auf den Großfarmen Brasiliens wachsen lässt? Die mit ihrer Arzneimittelpraxis und wachsenden Resistenzen unsere Gesundheit gefährdet? Die heute schon die Hälfte ihres Fleischs auf dem Weltmarkt verramscht? Und ihren Dreck, die Gülle, bei uns ablädt und dies in solchen Mengen, dass unser Grundwasser verseucht?
Um diese Landwirtschaft geht es in der Gülleverordnung. Es geht um die Profite der Fleischbarone, um die Umsätze der Schlachtkonzerne, um die Bilanzen der globalen Händler für Futtermittel und Exporteure für Schweinefleisch. Dass dafür in Münster 6000 Bauern und Bäuerinnen vor den Dom ziehen, ist schon bemerkenswert. Wer wurde hier vor wessen Karren gespannt?
Wäre es um den Erhalt bäuerlicher Kultur, verlässliche Märkte, um sichere Arbeit auf den Höfen, um Anerkennung für ihre Produkte gegangen, wäre der Protest verständlich gewesen. Aber dass Bauern und Bäuerinnen für diejenigen auf die Straße gehen, die morgen die Pachtpreise in die Höhe und die Schweinepreise in den Keller treiben, das ist mehr als verwunderlich.
Sehen diese protestierenden Landleute nicht die Märkte vor ihren Hoftoren, die steigende Zahl der Städter, die sich vor allem nach Lebensmitteln aus der Region, nach intakter Natur, nach fairem Umgang mit Mensch und Tier sehnen? Wollen sie nicht unser wichtigstes Lebensmittel, das Trinkwasser, für kommende Generationen bewahren? Wünschen sie sich nicht auch Anerkennung für ihre Arbeit? Beim Streit um die Gülleverordnung geht es nur vordergründig um die Gülle. Es geht um die Landwirtschaft, die wir in Zukunft haben wollen. Und da werden sich auch die Bäuerinnen und Bauern, die in Münster auf die Straße gingen, entscheiden müssen: Wollen sie weiterhin den Mastbaronen das Geschäft retten und Billigfleisch für China produzieren? Oder wollen sie eine bäuerliche Existenz, die sich auch für ihre Kinder wieder lohnt?