Studie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?

Studie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?

Die im Februar 2023 veröffentlichte Studie „Foodshed München – Bewertung des Einzugsgebiets und der potenziellen Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln in München.“ von Dr. José Luis Vicente-Vicente und Dr. Annette Piorr vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V. wurde vom Bundestagsbüro Karl Bär (Die Grünen) in Auftrag gegeben. Im Zentrum der Studie steht die Frage, inwieweit sich München nachhaltig aus der Region ernähren könnte.

Aus der Zusammenfassung:

„Wie in anderen Großstadtregionen etablieren sich in München und seinem Umland zunehmend neue und flexiblere Modelle von Produktion, Organisation und Konsum, die einen stärkeren Bezug zur Region und ihren Akteuren vor Ort aufweisen. Die Politik sieht hier einen wichtigen Ansatzpunkt, geeignete Rahmenbedingungen für gesunde Ernährungsweisen, faire Ernährungsumfelder und nachhaltigere Erzeugung in der Region zu schaffen.

Ein erster Schritt für Diskussionen und politische Prozesse in diese Richtung sind Potenzialstudien, wozu Foodshed-Modellierungen gehören. Sie berechnen das theoretische Einzugsgebiet von Lebensmitteln, also den Flächenumfang der nötig ist, um die BewohnerInnen unter Berücksichtigung ihres Konsumverhaltens an Lebensmitteln verschiedener Produktgruppen aus dem direkten Umfeld zu ernähren. Wobei lokale z.B. Anbaubedingungen, Erträge und landwirtschaftliche, aber auch naturräumliche Strukturen berücksichtigt werden. Szenarien erlauben die Berücksichtigung alternativer Produktionsmethoden, veränderter Ernährungsweisen, der Beibehaltung bestehender Spezialisierung auf Sonderkulturen oder der Wiedervernässung von Moorgebieten.

Foodshed für München und Region
Die Foodshedmodellierungen dieser Studie zeigen:

  • Eine regionale Versorgung innerhalb der räumlichen Grenzen der drei Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Schwaben wäre zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung Münchens und der genannten Regionen möglich. Lässt man die für den globalen Markt relevanten Anbauflächen für Hopfen unverändert, kann theoretisch in der Region immer noch mehr produziert als lokal verbraucht werden, sowohl bei rein konventioneller (Selbstversorgungsgrad rd. 160%) als auch bei rein ökologischer Bewirtschaftung (Selbstversorgungsgrad 117%). Das theoretische Nahrungsmitteleinzugsgebiet um München hätte entsprechend einen Radius von 114km (für konventionelle Produktion) gegenüber 125 km (für ökologische Produktion).
  • Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen entlang der Wertschöpfungskette (vor und nach der Ernte, bei Aufbereitung, Weiterverarbeitung, Lagerung, Vertrieb und Handel, in Haushalten) birgt weitere signifikante Flächenpotenziale. Weniger Nahrungsmittelabfälle lassen den Foodshed-Radius um bis zu 10 km sinken, und machen Flächenpotenziale frei für entsprechende alternative Nutzungen oder den Naturschutz.

  • Ernährungsumstellung ist ein weiterer wirksamer Hebel für die Erhöhung der Flächen- produktivität. Bei einer Halbierung des Verzehrs von Lebensmitteln tierischer Herkunft, einer Verdopplung des Gemüseverzehrs und deutlich erhöhtem Anteil von Hülsenfrüchten und Nüssen in der Ernährung könnte der Selbstversorgungsgrad bei konventionellem Anbau auf 172% und bei ökologischem Anbau auf 135% steigen.

  • Die Wiedervernässung ehemaliger Moorflächen wird wegen ihrer Funktion als möglicher Kohlenstoffspeicher als Strategie zum Klimaschutz vielerorts diskutiert. Solche Flächen finden sich auch im Gebiet der drei Regierungsbezirke, die das potenzielle Nahrungseinzugsgebiet für München und Region ausmachen. Sie umfassen etwa 6% der landwirtschaftlichen Nutzfläche und weisen eine überdurchschnittliche Produktivität auf. Würde man diese Flächen aus der Nutzung nehmen und wiedervernässen, blieben die Einbussen am potenziellen Selbstversorgungsgrad im einstelligen Bereich (9,89% bzw. 7,25%).

  • Es wäre also möglich, selbst bei Wiedervernässung ehemaliger Moore, die Region aus den eigenen Flächenpotenzialen nachhaltig und divers zu ernähren, und gleichzeitig für den Weltmarkt zu produzieren, im Umfang von 10%-50% der regional abgesetzten Produktmengen (wobei Anbaugebiete für Hopfen im bisherigen Umfang und Markt agieren würden). Bei zusätzlicher Umstellung der Ernährung könnten Moorschutz und gesunde 100% regionale Ernährung sogar noch Exportpotenziale von >25% (ökologisch) – >60% (konventionell) realisieren lassen.

  • Für die Interpretation der Ergebnisse dieser Studie ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass es sich um theoretische Modellierungen handelt. Die kreisförmige Repräsentation des Flächenbedarfs für das Nahrungsmitteleinzugsgebiet (Foodshed) in den Abbildungen dieser Studie soll primär einen Eindruck der Größe des möglichen Gebietes für regionale Ernährung vermitteln, wenngleich in der Praxis die Definition von Regionalität bzw. des Einzugsgebietes für unterschiedliche Produktgruppen durchaus Sinn macht.

  • Auch ist zu berücksichtigen, dass im Vergleich von konventioneller und ökologischer Be- wirtschaftung der Flächenbedarf (der beim ökologischen Landbau höher ist) lediglich ein relevanter Aspekt ist. Auf den Umstand, dass im konventionellen System mehr Betriebsmittel (z.B. Futtermittel auf Sojabasis) andernorts hergestellt werden und dort ihren Flächenfootprint hinterlassen, häufig verknüpft mit dortigen teils unerwünschten Umweltwirkungen, konnte im Rahmen dieser Studie nicht vertieft eingegangen werden.“

Die komplette Studie können Sie hier als PFD herunterladen.

IWEStudie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?
Alternative zu Herbiziden: Landwirtschaft ohne Glyphosat

Alternative zu Herbiziden: Landwirtschaft ohne Glyphosat

Der neue Bericht „Alternative zu Herbiziden – Landwirtschaft ohne Glyphosat“ von PAN Europe in Zusammenarbeit mit der europäischen Fraktion der Grünen/EFA zeigt, dass es für alle bekannten Hauptanwendungen von Herbiziden auf Glyphosatbasis wesentlich sicherere nicht-chemische Alternativen gibt, sowohl Low- als auch Hightech-Verfahren. Der Bericht schlägt zudem Maßnahmen vor, wie der Übergang zu einer glyphosatfreien Landwirtschaft wirtschaftlich tragfähig machbar ist. In diesem Jahr entscheidet die EU über die Wiederzulassung von Glyphosat.

Im Rahmen der Veröffentlichung der Studie findet am 11. April um 13 Uhr eine Online-Panel-Diskussion statt. Nähere Informationen und die Anmeldung finden Sie hier.

Die deutsche Kurzfassung des Berichts können Sie hier als PDF herunterladen, die komplette englische Fassung hier.

IWEAlternative zu Herbiziden: Landwirtschaft ohne Glyphosat
Der Weg zu regenerativer Landwirtschaft in Deutschland – und darüber hinaus

Der Weg zu regenerativer Landwirtschaft in Deutschland – und darüber hinaus

Mehr als die Hälfte der Ackerflächen der Welt haben ihre Fruchtbarkeit verloren. Was ihnen nicht bekommt, ist die Art der Bewirtschaftung. Lässt sich die Fruchtbarkeit zurückgewinnen?
Und wie für eine Zukunft mit Klimaextremen bewahren? Unter dem Dach der „regenerativen Landwirtschaft“ treffen sich ökologische Einsichten und praktischen Erfahrungen. Das IWE hat ihr ökologisches Potenzial in der Studie „Ernährungswende“ beschrieben. Der NABU und Boston Consulting stellen die Vorzüge der regenerativen Methoden für die ökologische Transformation in der soeben erschienen Studie „Der Weg zu regenerativer Landwirtschaft in Deutschland – und darüber hinaus“ zusammen.

IWEDer Weg zu regenerativer Landwirtschaft in Deutschland – und darüber hinaus
Französischer Rechnungshof: Mehr Unterstützung für Bio-Landwirtschaft und Bio-Lebensmittel notwendig

Französischer Rechnungshof: Mehr Unterstützung für Bio-Landwirtschaft und Bio-Lebensmittel notwendig

Unerwartete Verstärkung – ein Vorwort von Manfred Linz

Beistand ist besonders willkommen, wenn er nicht zu erwarten war. Diese überraschende Stärkung erleben gerade alle, die sich hierzulande für eine zukunftsfähige Landwirtschaft einsetzen und dabei ja allerhand Uneinsicht und Widerstand begegnen. Ihnen, also auch uns, dem Institut für Welternährung, seinen Freunden und Förderern, ist ein tatkräftiger Mitstreiter erstanden. Er kommt aus dem Nachbarland, und kaum jemand hätte in ihm einen Bundesgenossen vermutet. Es ist der Cour des Comptes, der französische Rechnungshof. Er hat im Juni dieses Jahres unter Auswertung der Fachliteratur eine gründliche Bewertung der französischen Bio-Landwirtschaft vorgelegt, Christoph Habermann hat sie ausgewertet und vermittelt in seinem Aufsatz für „Blog Republik“ seine Essenz. Der Rechnungshof macht sich zum Anwalt der Bio-Landwirtschaft und fordert nicht etwa ihre geringere sondern ihre stärkere staatliche Förderung. Gleichzeitig erfährt der deutsche Leser, dass die französische Unzufriedenheit mit dem erzielten Grad der naturgemäßen Landwirtschaft schon heute auf einem deutlich kräftigeren Sockel biologischer Agrikultur Landwirtschaft ruht als bei uns und damit zu einem Animateur vergleichbaren staatlichen Handels in unserem Land werden kann. Exempla trahunt, Beispiele reißen mit.

Französischer Rechnungshof: Mehr Unterstützung für Bio-Landwirtschaft und Bio-Lebensmittel notwendig“

von Christoph Habermann

I.

Der französische Rechnungshof hat am 30. Juni 2022 einen 353 Seiten starken Bericht veröffentlicht, in dem er untersucht, wie und mit welchem Erfolg die Bio-Landwirtschaft in Frankreich in den vergangenen zehn Jahren gefördert worden ist. Allein die Tatsache, dass der französische Rechnungshof sich so ausführlich mit der Bio-Landwirtschaft beschäftigt, ist bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist der Inhalt dieses Berichts. Er beschränkt sich nicht auf Zahlen und Wirtschaftlichkeits-Überlegungen oder fordert gar die Streichung von Fördergeldern, wie man das von Rechnungshof-Berichten gewohnt ist. Nein, der Bericht formuliert – gestützt auf eine Auswertung der wissenschaftlichen Fachliteratur zur Bio-Landwirtschaft – ein starkes Plädoyer für mehr Bio und für mehr staatliche Unterstützung von Bio.

Der Bericht untersucht, ob Politik und Verwaltung in Frankreich die biologische Landwirtschaft seit 2010 ausreichend unterstützt haben, um die beiden wichtigsten politisch definierten Ziele zu erreichen: 15 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen sollen biologisch bewirtschaftet werden und 20 Prozent der Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen oder Krankenhäusern sollen Bio sein. Beide Ziele wurde nicht erreicht.

Zusammenfassend kommt er zu folgendem kritischen Ergebnis:

„Allgemein verfolgt die vom Landwirtschafts-Ministerium betriebene Politik zur Unterstützung der biologischen Landwirtschaft anspruchsvolle Ziele ohne ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen. Gewiss wurden beachtliche Ergebnisse erzielt, diese Politik hätte aber stärker treibende Kraft bei der Entwicklung der biologischen Landwirtschaft sein können, die sie tatsächlich aber im günstigen Fall begleitet und manchmal auch gebremst hat.“ (Seite 23)

Die wichtigsten Zahlen zur Entwicklung der biologischen Landwirtschaft in Frankreich in den vergangenen Jahren:

„Die biologische Landwirtschaft, die in Frankreich lange ein Nischendasein führte, hat sich im Lauf des vergangenen Jahrzehnts zwischen 2010 und 2021, vor allem seit 2015, stark verbreitet, und Frankreich liegt mit einer Bio-Fläche von mehr als 2,8 Millionen Hektar im Jahr 2021 in Europa auf Platz eins.

Zwischen 2010 und 2021 ist der Anteil der Bio-Betriebe von 4 Prozent auf 13,4 Prozent gewachsen, die 10,3 Prozent der in Frankreich landwirtschaftlich genutzten Fläche bewirtschaften…“ (Seite 12/13)

In Deutschland waren im Jahr 2021 13, 8 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe Bio-Höfe, die knapp 1,8 Millionen Hektar bewirtschaften, was 10,8 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland entspricht.

II.

Die Aussagen im Bericht des Rechnungshofs zu den wissenschaftlich gesicherten Vorteilen der Bio-Landwirtschaft gegenüber der konventionellen Landwirtschaft sind auch für die gesellschaftliche und politische Diskussion in Deutschland besonders interessant und wichtig:

„Der Rechnungshof macht eine Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Literatur zu den Vorteilen der Bio-Landwirtschaft. Das bezieht sich sowohl auf die Verringerung negativer Externalitäten anderer Formen der landwirtschaftlichen Praxis als auch auf die eigenen positiven Externalitäten, weil diese Form der landwirtschaftlichen Praxis chemisch-synthetische  Pestizide und Gentechnik verbietet und den Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht stark beschränkt.“ (Seite 16)

Der Rechnungshof fasst seine  grundlegenden Feststellungen so zusammen:

„Auch wenn Landwirte insgesamt gesünder sind als der Durchschnitt der französischen Bevölkerung deuten wissenschaftliche Studien auf einen Zusammenhang zwischen der Belastung durch Pestizide und mehreren Krankheiten hin (Krebserkrankungen, Parkinson,etc.) die als Berufskrankheiten von Landwirten anerkannt werden können, wenn der Zusammenhang  nachgewiesen ist. Andere Studien belegen eine substantielle Verringerung mehrerer Krankheiten (u.a. Krebserkrankungen und Diabetes) bei Verbrauchern, die regelmässig Bio-Lebensmittel essen.

Der günstige Einfluss der Bio-Landwirtschaft auf die Umwelt ist ebenfalls gut belegt. Während die Wasserverschmutzung, die wesentlich auf Nitrate, Phosphor und Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft zurückzuführen ist, weiter zunimmt, erlaubt die Bio-Landwirtschaft sie zu verringern. Deshalb finanzieren die Wasseragenturen (es gibt in Frankreich sechs Wasseragenturen, die sich in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und der Industrie um die Sicherung und Aufbereitung von Trinkwasser kümmern C.H.) immer stärker die Konversion zu biologisch bewirtschafteten Flächen: Vorsorge erweist sich als deutlich kostengünstiger als die Dekontaminierung von Trinkwasser. Trinkwasser-Unternehmen wie das von Paris haben begonnen, die Bio-Landwirtschaft im Bereich ihrer Wassergewinnung zu finanzieren.

Die Bio-Landwirtschaft trägt auch zu einer besseren Bodenfruchtbarkeit bei, dank eines höheren Anteils an organischem Material und weil die Böden mehr Wasser aufnehmen und mehr Kohlenstoff speichern können. Diese landwirtschaftliche Praxis hat aber auch bestimmte Grenzen, z.B. der Einsatz von Kupfer, der oft unvermeidlich ist wegen der fehlenden Möglichkeit synthetische Fungizide einzusetzen und weil wirksame alternative Methoden fehlen, oder die tiefe Bearbeitung der Böden, fehlende Boden-Bedeckung oder die immer mögliche und in der Bio-Landwirtschaft notwendige Fruchtfolge.

Die Bio-Landwirtschaft hat positiven Einfluss auf die Luftqualität, die durch die Ammoniak-Emissionen des in der konventionellen Landwirtschaft genutzten Stickstoffdüngers belastet wird.

Die Bio-Landwirtschaft trägt nicht zuletzt zum Erhalt der Biodiversität bei. Auf biologisch bewirtschafteten Flächen gibt es durchschnittlich 30 Prozent mehr Arten, deren Populationen 50 Prozent grösser sind, während die die Zahl der Feldvögel und der bestäubenden Insekten in Europa seit 1990 um mehr als 30 Prozent zurückgegangen ist.

Diese Form der Landwirtschaft verursacht weniger klimarelevante Emissionen, vor allem Lachgas, weil keine stickstoffhaltigen Dünger eingesetzt werden.Das gilt pro Hektar und bezogen auf die Betriebe, die autonom sein sollen.

Die Verbesserung des Tierwohls durch die Bio-Landwirtschaft ergibt sich aus ihrem Pflichtenheft, das die Käfighaltung und das Anbinden von Tieren verbietet , die Zahl der Tiere begrenzt, stärker natürliches Futter vorschreibt (Futter, Muttermilch) und den Zugang zum Freiland garantiert.

Schliesslich hat die Bio-Landwirtschaft positiven Einfluss auf die Beschäftigungssituation im ländlichen Raum, weil sie für die jungen Landwirtinnen und Landwirte attraktiv ist: ein Drittel der Niederlassungen sind Bio-Betriebe. Weil es arbeitsintensiver ist, schafft dieses Produktionssystem Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und in der Bio-Lebensmittelherstellung.

Insgesamt anerkennt die wissenschaftliche Literatur die gesundheitlichen und umweltbezogenen Vorteile der Bio-Landwirtschaft, auch wenn zusätzliche Studien notwendig bleiben, die besonders den Einfluss der Bio-Landwirtschaft auf Gesundheit und Klima betreffen. Das ist auch das Ergebnis einer Studie des Itab-Inrae (staatliche französische Forschungs-Einrichtung zur Bio-Landwirtschaft C.H.) aus dem Jahr 2016 zur Bezifferung ihrer Externalitäten, die regelmässig aktualisiert werden sollte.“ (Seite 16-18)

III.

Das sind klare Aussagen, die sich auf den aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung stützen. Der Rechnungshof setzt sich in seinem Bericht detailliert mit der Frage auseinander, warum Frankreich seine seit 2010 politisch proklamierten Ziele nicht erreicht hat. Aus dieser Analyse leitet er 12 konkrete Empfehlungen ab, die er unter drei grosse Überschriften stellt:

  1. Die Bürgerinnen und die Konsumenten sollen über den Einfluss der Bio-Landwirtschaft und der Herstellung biologischer Lebensmittel auf Umwelt und Gesundheit aufgeklärt werden.
  2. Die öffentliche Unterstützung der gesamten Landwirtschaft soll zugunsten des Bio-Sektors neu ausgerichtet werden.
  3. Die Wertschöpfung in der Bio-Branche soll stärker und besser als bisher unterstützt werden.

Die Empfehlungen lassen sich in ihrer Grundrichtung umstandslos auf die deutschen Verhältnisse übertragen. Das gilt zum Beispiel für die Anerkennung aller Vorteile der Bio-Landwirtschaft bei der Berechnungsmethode für die künftige Umwelt-Kennzeichnung von Lebensmitteln. Das gilt auch für den Vorschlag, die öffentliche Statistik so zu korrigieren, dass das Erreichen von Zielen in der Bio-Landwirtschaft messbar wird und die unterschiedlichen Formen der landwirtschaftlichen Praxis vergleichbar werden.

Besonders wichtig, auch für die deutschen Verhältnisse, sind aus meiner Sicht zwei Empfehlungen, die in der öffentlichen Diskussion über Bio-Landwirtschaft und Bio-Lebensmittel bisher zu selten eine Rolle spielen.

Der Rechnungshof fordert, die Mittel zur Unterstützung von Forschung und Innovation in der Bio-Landwirtschaft deutlich zu erhöhen und dabei auch die möglichst schnelle Verbreitung und Anwendung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse einzubeziehen.

„Obwohl Forschung und Entwicklung einhellig als Schlüsselfaktoren für das Wachstum der Bio-Landwirtschaft anerkannt sind, besteht weiter grosser Bedarf und die bisherigen Projekte sind weder ausreichend koordiniert noch finanziert. Auch die Angebote für Ausbildung und Betreuung sollten verstärkt werden.“ (Seite 152)

„… scheint es wünschenswert, Forschung und Entwicklung im Bio-Bereich stärker zu unterstützen, dafür mehr Mittel zur Verfügung zu stellen und die Arbeiten stärker aufeinander abzustimmen, um den Erwartungen der Fachleute, vor allem der Landwirte, besser zu entsprechen.“ (Seite 163)

Auch in Deutschland ist das dringend notwendig. Trotz gewisser Fortschritte in den vergangenen Jahren steht nur ein ganz kleiner Teil der öffentlichen Gelder für Forschung und Entwicklung in der Landwirtschaft für Projekte der Bio-Landwirtschaft zur Verfügung. Das steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur deutlich gewachsenen Bedeutung dieser Form der Landwirtschaft. Wenn Deutschland das Bio-Ziel von 25 Prozent im Jahr 2030 erreichen will, das die Europäische Union in ihrer „Farm to Fork“-Strategie beschlossen hat, dann müssen so schnell wie möglich mindestens 25 Prozent der Ausgaben für landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung in Projekte der Bio-Landwirtschaft fliessen: von der Züchtung ökologischen Saatguts über die umweltverträgliche Steigerung von Erträgen bis hin zur Verbesserung der Bodenqualität. Hier bleibt viel zu tun, damit Erfahrungswissen zusammen mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse eine landwirtschaftliche Praxis möglich machen, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt statt sie zunehmend zu gefährden und zu zerstören. Das gilt erst recht, wenn die Bundesregierung bis 2030 den Anteil der Bio-Landwirtschaft in Deutschland auf 30 Prozent erhöhen will, wie das im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

Noch grundsätzlicher ist eine weitere Empfehlung des Rechnungshofs. Er sieht in der Bio-Landwirtschaft einen Hebel, die Autonomie der Nahrungsmittelversorgung zu stärken, und setzt sich unter Hinweis auf wissenschaftliche Studien mit dem zentralen Einwand gegen diese Position auseinander:

„Die geringeren Erträge der Bio-Landwirtschaft werden oft als ein Hindernis für die Autonomie der Nahrungsmittelversorgung Frankreichs dargestellt. Allerdings bewegen sich die Erträge und die Produktivität der konventionellen Landwirtschaft nach unten, während die der Bio-Landwirtschaft Potential für Verbesserungen bietet, das von Investitionen in Forschung und Entwicklung abhängt.

Durch mehr pflanzliche Proteine in der Ernährung anstatt tierischer Proteine, führt das Bio-Modell übrigens auch dazu, dass der Teil der landwirtschaftlichen Fläche abnimmt, der für Futtermittel und die Viehzucht genutzt wird. Es gibt also eine Antwort auf die Bedürfnisse, die durch die wachsende Erdbevölkerung entstehen und trägt dazu bei, die Ausweitung landwirtschaftlich genutzter Flächen zu Lasten natürlicher Räume zu vermeiden.

Nach einem von Forschern des „Nationalen Forschungsinstituts für Landwirtschaft“ (Inrae) erarbeiteten Szenarios könnte eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten hin zu mehr pflanzlichen Proteinen und weniger Verschwendung von Lebensmitteln trotz geringerer Erträg dazu führen, dass die für die Bio-Landwirtschaft genutzten Fläche im Vergleich zur konventionellen Nutzung um 18 Prozent geringer sein könnte.

Das „Institut für nachhaltige Entwicklung und internationale Beziehungen“ (Iddri) hat ein Modell zur europäischen Autonomie von Landwirtschaft und Ernährung bis 2050 entwickelt. Die Untersuchung weist nach, dass das europäische Landwirtschafts- und Ernährungsmodell nicht nachhaltig ist, vor allem durch den hohen Anteil tierischer Proteine in der Ernährung, die 60 Prozent über den Empfehlungen der Weltgesundheits

-organisation liegen und dazu führen, dass mehr als 60 Prozent des Getreides und der Ölsaaten in Europa (von denen ein grosser Teil als Soja importiert wird) als Tierfutter dient und nicht der menschlichen Ernährung. Dazu kommen die Auswirkungen der Intensiv-Landwirtschaft auf Gesundheit und Umwelt. In einem Szenario, das von der Verallgemeinerung agrar-ökologischer Formen der Bewirtschaftung ausgeht, kommt das Iddri zu dem Ergebnis, dass die Ernährungs-Autonomie für Europa mit seinen 500 Millionen Verbrauchern gesichert werden kann, wenn die landwirtschaftliche Produktion zurückgeht (um 40 Prozent in der Viehzucht und um 30 Prozent bei Pflanzen) verbunden mit einer Umstellung der Ernährung, der Beendigung des Imports von Soja unter Beibehaltung von Exportüberschüssen beim Getreide.

Angesichts der Erderwärmung muss die Resilienz der Bio-Betriebe für die künftige Entwicklung berücksichtigt werden, sowohl für die Höhe der Produktion als auch für die öffentlichen Finanzen angesichts der Risiken, die sich aus den Klimaveränderungen ergeben.

Dieser Ausblick führt zu dem Schluss, die Autonomie von Landwirtschaft und Ernährungssystem auf der Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe und Regionen, auf nationaler und europäischer Ebene zu einem Ziel der Landwirtschaftspolitik zu machen. Das sollte auf der Grundlage eines Ansatzes geschehen, der die Produktionssysteme zusammen und zukunftsorientiert in den Blick nimmt. Die Autonomie des Ernährungssystems hat mit dem Konflikt in der Ukraine zusätzlich an Bedeutung gewonnen.“ (Seite 171/172)

IV.

Der Bericht des französischen Rechnungshofs über die vielfältigen Vorteile der Bio-Landwirtschaft ist ein wichtiges Dokument, das die Position der Bio-Landwirtschaft in der politischen und gesellschaftlichen Debatte stärkt.

Der französische Rechnungshof ist eine unabhängige Einrichtung, die nicht im Verdacht steht, aus sachfremden Gründen Position gegen die konventionelle Landwirtschaft zu beziehen. Höchst ungewöhnlich ist, dass der Rechnungshof von Politik und Verwaltung in Frankreich ausdrücklich mehr finanzielle Unterstützung für die Bio-Landwirtschaft und für  Bio-Lebensmittel fordert. Zu dieser Empfehlung kommt er auch deshalb, weil er die externen Kosten der konventionellen Landwirtschaft berücksichtigt, die bei den meisten Debatten noch immer aussen vor bleiben.

Bekanntermassen kommt es gerade bei sensiblen gesellschaftspolitischen Debatten, die einzelwirtschaftliche Interessen in Frage stellen, nicht nur darauf an, welche Argumente vorgetragen werden, sondern auch darauf, wer diese Argumente vorträgt. Es ist ein Unterschied, ob eine im Umweltbereich arbeitende Nicht-Regierungs-Organisation mehr Unterstützung für die Bio-Landwirtschaft fordert oder ob das ein Rechnungshof tut.

Der Bericht des französischen Rechnungshofs kann und sollte dazu beitragen, die Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft und die Zukunft des Ernährungssystems insgesamt zu versachlichen und die Orientierung an den Interessen eines agrar-industriellen Komplexes zu überwinden, dessen Einfluss nach wie vor gross ist.

Wenn ein Rechnungshof so klar und mit so überzeugenden Argumenten für die stärkere öffentliche Förderung von Bio-Landwirtschaft und Bio-Lebensmitteln eintritt, dann sollte das auch Organisationen und einzelnen zu denken geben, die bisher aus ganz unterschiedlichen Gründen Berührungsängste mit diesem Thema haben.

Alle, die sich zum Teil schon seit Jahrzehnten für grundlegende Veränderungen von Landwirtschaft und Ernährung einsetzen, haben im französischen Rechnungshof einen ebenso überraschenden wie überzeugenden neuen Mitstreiter.

Über den Autor:
Christoph Habermann hat nach Abschluss des Studiums der Sozialwissenschaften an der Universität Konstanz mehr als dreissig Jahre in der Ministerialverwaltung gearbeitet. Von 1999 bis 2004 war er stellvertretender Chef des Bundespräsidialamts bei Bundespräsident Johannes Rau. Von 2004 bis 2011 Staatssekretär in Sachsen und in Rheinland-Pfalz.

Der Artikel wurde zuerst am 10. August 2022 bei „Blog der Republik“ veröffentlicht.

IWEFranzösischer Rechnungshof: Mehr Unterstützung für Bio-Landwirtschaft und Bio-Lebensmittel notwendig
Buchtipp: „Stille Killer. Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet“

Buchtipp: „Stille Killer. Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet“

Suchtstoffe aus dem Supermarkt: Wilfried Bommert und Christina Sartori liefern mit „Stille Killer. Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet“ die schonungslose Analyse einer weltweiten Epidemie

Das mächtigste Drogenkartell des 21. Jahrhunderts verkauft Pizzen, Schokoriegel, Toastbrot, Würstchen und bunte Brause. Doch wo die Verpackung oft Landidylle oder Mamas gute Küche suggeriert, wartet ein Cocktail aus Wirkstoffen, der vor allem auf eines zielt: Sucht. Der angeblich schnelle Genuss für kleines Geld ist in Wahrheit „Nahrung“, die nicht nährt, sondern abhängig und dick macht. Investoren hingegen beschert sie fette Profite. Wilfried Bommert und Christina Sartori liefern in ihrem neuen Buch eine schonungslose Analyse: „Wer das System Adipositas verstehen will, muss Suchterkrankungen studieren. Muss wissen, dass Sucht nicht vom Himmel fällt, sondern von Interessen getrieben ist, von Profitinteressen.“ 

Wissenschaftlich fundiert liefert das Autorenduo Fakten zu dieser weltweiten Epidemie. In Deutschland steigt der Verkauf von Fertiggerichten stetig und der Trend geht zu XXL-Formaten. Während „Big Food“ immer mächtiger wird, drohen die Kosten, die durch die Folgen von Fettleibigkeit verursacht werden, die Gesundheitskassen zu sprengen. Doch alle Warnungen, dass die um sich greifende Fettsucht die Gesundheitssysteme ruinieren werde und ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen könnte, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation und der Weltbank veröffentlicht wurden, verhallen im Nirgendwo.

Die zehn größten Lebensmittelkonzerne diktieren die Preise für Mais, Bohnen, Weizen etc. Die Folgen sind Monokulturen, die mit Pestiziden auf Höchsterträge getrimmt sind. Bommert und Sartori gehen außerdem darauf ein, warum Diäten dick machen und berichten über das „Netz der Food-Lobby“ in Europa. Dass es möglich ist, auch Fast-Food-Kartelle zu Zugeständnissen zu bewegen – wenn auch meist nur per Gericht –, auch das wird in diesem umfassend informativen Buch belegt.

Über die Autor:innen

Wilfried Bommert studierte Agrarwissenschaften und ist u. a. Journalist für den WDR sowie Vorstandssprecher des Instituts für Welternährung. Als Leiter der ersten Umweltredaktion im WDR-Hörfunk beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit den Themen Gentechnik, Klimawandel und Welternährung.

Christina Sartori studierte Biologie und Wissenschaftsjournalismus. Seit mehr als 20 Jahren berichtet sie über die Themengebiete Medizin und Gesundheit, mehrere Jahre als Redakteurin in der WDR-Wissenschaftsredaktion, heute als Autorin für WDR, Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Nova und ARD.

Stille Killer. Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet“ von Wilfried Bommert und Christina Sartori, erschienen im Hirzel Verlag.

IWEBuchtipp: „Stille Killer. Wie Big Food unsere Gesundheit gefährdet“
IWE -Studie: Bundeskantinen ökologisch mangelhaft

IWE -Studie: Bundeskantinen ökologisch mangelhaft

Was in den Bundeskantinen in Töpfen und Pfannen für die Bundesbediensteten angerichtet wird, dürfte der Regierung selbst kaum schmecken. Denn was da täglich tausendfach auf den Tellern landet, ist alles andere als klimafreundlich und verträgt sich in der Mehrzahl der Fälle weder mit den klimapolitischen Zielen noch mit dem ökologischen Anspruch der neuen Regierung.

Das jedenfalls ergibt eine jüngst abgeschlossene Studie zur Verpflegung in den bundeseigenen Kantinen, die das Institut für Welternährung in Kooperation mit der Hochschule Darmstadt durchgeführt hat. [1]

Das Fazit: Die Bundesregierung schadet durch ihre Kantinenwirtschaft dem eigenen Ansehen und der internationalen Glaubwürdigkeit ihrer Politik.

Die Erkenntnisse, die Svea Spieker, Hochschule Darmstadt, Fachbereich Media im Rahmen ihrer Masterarbeit bei 54 Kantinen des Bundes gewonnen hat, zeigen:  

  • dass gerade Fleisch zu häufig und in zu großen Mengen auf dem Teller landet und mit bis zu 750 Gramm pro Woche teilweise mehr als drei Mal so hoch liegt wie die von Experten empfohlene Menge von max. 200 Gramm
  • dass vegetarische und vegane Gerichte zu selten angeboten werden
  • dass Kriterien wie bio, regional und fair bei den Bundeskantinen bislang unterbelichtet sind
  • dass Kommunikation mit der Kantinenkundschaft über die Nachhaltigkeit des Speiseangebots nur in Ansätzen stattfindet. Bei den Entscheidungen über die Umwelt- und Klimaverträglichkeit bleibt der Essensgast weitestgehend sich selbst überlassen.
  • dass lokale Anbieter, regionale Verarbeiter und kleinere Bauern keinen angemessenen Platz als Zulieferer finden
  • dass es nur in einem Drittel der Kantinen verbindliche Vorgaben des Bundes in Sachen Nachhaltigkeit gibt

Dabei gibt die Studie nach dem Urteil der Autorin noch eher die Sonnenseite der Kantinenwirtschaft des Bundes wieder. Denn von den 150 angeschriebenen Kantinen haben nur ein Drittel teilgenommen. Es ist anzunehmen, dass diese auch in Sachen Nachhaltigkeit die Motivierteren sind. Zwei Drittel lehnten trotz Nachfragen eine Teilnahme ab.

Unter dem Strich, so Agnes Streber, Projektleiterin:

  • verfehle die Bundesregierung in ihren Kantinen die eigenen Umweltziele und Nachhaltigkeitsansprüche,
  • versage damit als Motor für eine klimaverträgliche Ernährungswende,
  • vergibt die Chance, regionale ökologische Wirtschafts- und Ernährungskreisläufe zu stärken
  • und verpasst die Möglichkeit, mit ihren Kantinen Standards für Klima und Gesundheit zu setzen, die in Kitas, Schulen und Mensen als Vorbild dienen könnten

Die derzeitige Praxis in Bundeskantinen, so der Sprecher des Instituts für Welternährung Wilfried Bommert, liegt weit hinter den Zielen, die die Bundesregierung 2021 in ihrem „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit – Weiterentwicklung 2021“ selbst beschlossen hat und stelle die Glaubwürdigkeit der klima-, tierschutz-, umwelt- und gesundheitspolitischen Ziele der Ampelkoalition in Frage.

Vor dem Hintergrund der drängenden ökologischen Krise und der rasant steigenden Fehlernährung der deutschen Bevölkerung legt die Studie den dringenden Handlungsbedarf des Bundes in seiner Kantinenwirtschaft offen und betont dabei fünf Bereiche besonders:

  1. Vorrang für vegetarische und vegane Speisen
  2. Vorrang für bio, regional, saisonal und fair
  3. Vorrang für ökologische Kundenkommunikation mit den Kantinenbesuchern
  4. Vorrang für kleinere, lokale Anbieter sowie regionale Verarbeiter und Landwirte
  5. Verbindliche Vorgaben des Bundes in Sachen Nachhaltigkeit

Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse können Sie hier als PDF herunterladen, die Studie „On the Way to a Sustainable Future“ finden Sie hier.

Pressekontakt Institut für Welternährung: Sabine Jacobs
Tel.: +49 (0) 2293 815 07 0 / Fax: +49 (0) 2293-815071
Mail: sabine.jacobs@institut-fuer-welternaehrung.org 


[1]On the Way to a Sustainable Future
Analysis and Optimisation of Sustainability Management and Communication using the Example of the Food Sector
Final thesis in the course of study Media, Technology and Society to obtain the academic degree Master of Science (M.Sc.) submitted by Svea Spieker, Matriculation number 752 832 , August 2021

IWEIWE -Studie: Bundeskantinen ökologisch mangelhaft
Buchtipp: „Berlin isst anders“

Buchtipp: „Berlin isst anders“

Die Metropolregion Berlin-Brandenburg hat riesiges Potenzial, zu einem Zentrum der Ernährungswende zu werden – das ist die zentrale These des vom Ernährungsrat Berlin herausgegebenen Buchs „Berlin isst anders. Ein Zukunftsmenü für Berlin und Brandenburg“.

Neben extrem vielen Initiativen und Projekten gibt es in der Region hochrangige Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die zum Thema arbeiten. Auch die Landesregierung hat mit ihrer Unterschrift unter das Mailänder Abkommen erklärt, ein nachhaltiges Ernährungssystem aufbauen zu wollen.

Das Buch liefert nicht nur eine kritische Bestandsaufnahme, wie zum Beispiel, dass 21 bis 37 Prozent der klimaschädlichen Gase auf die heutige Art der Ernährung zurückzuführen sind, immer mehr Menschen an Übergewicht und Allergien leiden, und die Lebensmittelvorräte in der Stadt gerade einmal für drei Tage reichen. Es macht auch Hoffnung, vorausgesetzt die Politik nimmt sich des Themas in angemessener Weise an.

Der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) Johan Rockström hat mit einem Team einen konkreten Speiseplan pro Kopf erarbeitet, der für Planet und Menschheit dauerhaft gesund ist. Die TU Berlin konnte mit einem Praxisversuch nachweisen, dass auf Berlins Dächern große Teile des benötigten Frischgemüses und erhebliche Mengen Fisch produzierbar sind. Die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) erforscht, wie mehr Lebensmittel aus Brandenburg nach Berlin gelangen können – denn heute bauen die meisten Brandenburger Betriebe für den Weltmarkt an. Dabei könnte die Stadt mit ihren 3,7 Millionen Einwohnern aus einem Umkreis von etwa 100 Kilometern ernährt werden, wie das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) errechnet hat.

Viele Initiativen und Unternehmen arbeiten an innovativen Lösungen – von Zusammenschlüssen von Bäuerinnen und Konsumenten über Logistikkonzepte bis hin zu vielfältigen Kultur-, Bildungs- und Urban-Gardening-Projekten. „Eine nachhaltigere Ernährung braucht viele Akteure, und die Arbeit von Ernährungsräten und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren ist enorm wichtig” sagte Professor Harald Grethe von der Humboldt-Universität. Unter seiner Leitung hatte der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz im vergangenen Jahr das 800-Seiten-Gutachten ‘Politik für eine nachhaltige Ernährung’ veröffentlicht. „Die Agrar- und Ernährungspolitik agiert viel zu zögerlich und es braucht mehr politischen Mut zur Gestaltung der erforderlichen Nachhaltigkeitstransformation”, so Grethe weiter.

Deshalb fordert der Ernährungsrat Berlin von der neuen Landesregierung, dass sie Ernährung als Querschnittsthema ganz oben ansiedelt. Viele Ressorts müssen zusammenarbeiten, denn es geht um Änderungen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Klima- und Umweltschutz, Wirtschaft, Sozialpolitik, Arbeit, Verbraucherschutz, Verkehr, Kultur und Forschung. Außerdem ist insbesondere wegen der Landwirtschaft eine enge Kooperation mit Brandenburg dringend geboten. Zugleich wird die Ernährungswende aber nur gelingen, wenn die Bevölkerung mitzieht.

Deshalb schlägt der Berliner Ernährungsrat die Errichtung einen Ernährungscampus vor, wo die Stadtgesellschaft gemeinsam und partizipativ Antworten sucht auf die drängende Frage: Wie können Produktion und Konsum aller Lebensmittel die planetaren Grenzen wahren und zugleich sozial fair sein? „Heute verdienen einige Wenige Milliarden mit skandalösen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen und durch zentralisierte Handelsstrukturen – und zugleich reichen die Hartz IV-Sätze nicht aus, um Lebensmittel nach dem Standard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung einzukaufen“, sagt Sabine Werth, Gründerin und Vorsitzende der Berliner Tafel. Werth verweist außerdem darauf, dass die hohen Mieten und die mangelhafte Versorgung armer Bevölkerungsgruppen mit guten Lebensmitteln einen unmittelbaren Zusammenhang haben. Eltern die Schuld für das Übergewicht ihrer Kinder zu geben, sei vor diesem Hintergrund zynisch.

Der Berliner Ernährungsrat hat für das Buch mit Forscherinnen und Caterern, Bauern, Bäckerinnen und Lehrern, Menschen aus der Verwaltung und Armutsbetroffenen gesprochen. Der Slow Food Chef Alliance-Koch Ottmar Pohl-Hoffbauer arbeitet jetzt in einer Kita und versorgt dort 100 Kinder aller sozialer Herkünfte mit bioregionalem Essen. „Weil wir auf Fleisch verzichten und praktisch nichts wegwerfen, ist das Angebot sogar günstiger als vorher, als noch ein Caterer das Essen geliefert hat“, berichtete Pohl-Hoffbauer. Er selbst wird jetzt wie ein Angestellter im Öffentlichen Dienst bezahlt und ist begeistert von seiner neuen Arbeit: „Ich lerne hier unglaublich viel darüber, wie ich Gemüse zubereiten muss, damit es den Kindern schmeckt.“

Der Ernährungsrat Berlin möchte mit dem Buch Politiker*innen sowie Zivilgesellschaft aufrütteln und Mut machen, sich mehr für das zentrale Thema Ernährung zu engagieren.

Das Buch „Berlin isst anders. Ein Zukunftsmenü für Berlin und Brandenburg“ kann hier kostenlos als PDF heruntergeladen werden. Eine Druckversion kann zum Solidaritätspreis von 20,30 Euro über epubli bestellt werden. Zudem ist das Buch im Buchandel erhältlich.

IWEBuchtipp: „Berlin isst anders“
Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft

Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft

„Die Arbeit der Zukunftskommission Landwirtschaft markiert eine neuen Ansatz für die Ernährungspolitik. Bemerkenswert ist, dass die Bundeskanzlerin die Aufgabe an sich aus dem Ministerium gezogen hat, das eigentlich dafür zuständig war. Sie hat damit nicht nur der Ressortchefin, sondern auch dem Ressort ihr Vertrauen entzogen. Diese Entscheidung entspricht einer Entmachtung der Agrarlobby, die bisher, trotz Massendemonstrationen, den Staus Quo bewahren wollte. Sie eröffnet die Chance, die Diskussion um die Zukunft der Ernährung neu zu ressortieren. Und den Konsens darüber als Ergebnis eines offenen, breit angelegten Gesprächs über Interessengegensätze hinweg zu organisieren. Das steht nicht im Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft, es ist die Lehre, die ihr Wirken hinterläßt.“ – Wilfried Bommert , Vorstandssprecher IWE

Auszug aus der Executive Summary, „Zukunft Landwirtschaft – Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft

In der Richtung seiner Analysen und Empfehlungen lässt sich dieser Abschlussbericht auch leiten von einer Vision für die Zukunft des Landwirtschafts- und Ernährungssystems, welche die Vertreterinnen der Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und des Bundes der Deutschen Landjugend für die ZKL gemeinsam ent- wickelt haben. Diese Zukunftsvision verbindet die Bedürfnisse von landwirtschaftlichen Erzeuger:innen und Verbraucher:innen, von Natur, Umwelt und kommenden Generationen weltweit. Ihr zufolge sollten Landwirt:innen breite gesellschaftliche Anerkennung inkl. finanzieller Entlohnung erhalten, denn sie übernehmen gesellschaftliche und ökologische Verantwortung. In Zukunft trägt die Landwirtschaft zum Erhalt der Biodiversität bei und wirkt positiv auf unser Klima. Ebenso wichtige Elemente des Zukunftsbildes sind die faire Gestaltung der Zusammenarbeit mit vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen, die Stärkung und überwiegende Nutzung von regionalen Kreisläufen und eine idealerweise stabile bis steigende Anzahl der Höfe. Ebenfalls zeigt das Zukunftsbild zufriedene Landwirt:innen, die ihren Beruf gerne ausüben. Es zeigt auch die Haltung von Tieren unter hohen Tierschutzstandards, über Lebensmittelqualitäten gut informierte Verbraucher:innen, die Einhaltung von klimapolitischen Vereinbarungen sowie vielfältige Anwendungen der Digitalisierung.

Der Abschlussbericht der ZKL beschreibt Entwicklungspfade in eine solche Zukunft. Sie sollen die Risiken dieser Transformation beherrschbar machen, Planungssicherheit ermöglichen und ihre Akzeptanz insbesondere auch aufseiten der Landwirt:innen erhöhen. Vor allem anderen sollen sie die ökologische Nachhaltigkeit des deutschen Agrar- und Ernährungssystems deutlich verbessern, seine ökonomische Tragfähigkeit dauerhaft sichern sowie Produktionsverlagerungen in europäische wie außereuropäische Regionen mit geringeren ökologischen und sozialen Standards entgegenwirken.

IWEEmpfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft
IPBES-IPCC Workshop Report: Biodiversity & Climate Change

IPBES-IPCC Workshop Report: Biodiversity & Climate Change

IPBES-IPCC Workshop-Bericht zu Biodiversität und Klimawandel

Die Auswirkungen des Klimawandels und des Verlustes der biologischen Vielfalt sind zwei der wichtigsten Herausforderungen und Risiken für die menschliche Gesellschaft. Gleichzeitig sind Klima und Biodiversität eng miteinander verflochten. Der Klimawandel verschärft die Risiken für die biologische Vielfalt sowie die natürlichen und bewirtschafteten Lebensräume; gleichzeitig spielen die natürlichen und bewirtschafteten Ökosysteme und ihre biologische Vielfalt eine Schlüsselrolle bei der Freisetzung wie auch der Bindung von Treibhausgasen sowie bei der Klimaanpassung.

Im vergangenen Dezember nahmen 50 der weltweit führenden Biodiversitäts- und Klimaexpert*innen an einem Workshop teil, um verschiedene Facetten der Wechselwirkung zwischen Klima und biologischer Vielfalt, von aktuellen Trends bis hin zur Rolle und Umsetzung naturbasierter Lösungen und der nachhaltigen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft zu untersuchen.

Der gemeinsam von IPBES und IPCC gesponserte Workshop-Bericht zu Biodiversität und Klimawandel, wurde am 10. Juni 2021 vorgestellt. Dies ist die allererste Zusammenarbeit zwischen den beiden zwischenstaatlichen Gremien für Wissenschaft und Politik.

Eine deutsche Kurzfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse finden Sie hier.

Den vollständigen IPCC-IPBES Workshop-Bericht „Biodiversity & Climate Change“ (englisch) finden Sie hier.

IWEIPBES-IPCC Workshop Report: Biodiversity & Climate Change
Klimawandel: Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten

Klimawandel: Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten

Warum ist schnelles Handeln zum Schutz des Klimas so wichtig und auf welche wissenschaftlichen Grundlagen stützen sich die Berechnungen zu Ursachen und Folgen des Klimawandels? Das erklärt die Leopoldina in ihrem aktuellen „Factsheet Klimawandel: Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten“.

Die Publikation bereitet in den ersten beiden Kapiteln das derzeit verfügbare Wissen über Ursachen und Folgen des Klimawandels allgemeinverständlich auf. Die Zusammenhänge und Daten werden in Grafiken veranschaulicht und kompakt erklärt. Im Kapitel „Ursachen des Klimawandels“ werden unter anderem der Treibhauseffekt erklärt, die Entwicklung der atmosphärischen Treibhausgaskonzentration im Verlauf der Erdgeschichte geschildert und die Geschwindigkeit der durch Menschen verursachten Erderwärmung aufgezeigt. Inhalte des Kapitels „Folgen des Klimawandels“ sind unter anderem Extremwetterereignisse, der Meeresspiegelanstieg, Dürre sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf Gesundheit und Ernährungssicherheit. Zudem wird die Rolle von Kippelementen erklärt.

Im Kapitel „Maßnahmen gegen den Klimawandel“ werden die bisher beschlossenen Emissionsreduzierungen diskutiert. Weitere Themen sind Technologien für „Negative Emissionen“, CO₂-Bepreisung, natürliche CO₂-Speicher wie Böden, Wälder und Ozeane sowie die Verteilung des verbleibenden Emissionsbudgets als politisch-ethische Frage.

Hier einige Auszüge aus dem Factsheet zum Thema Landwirtschaft und Welternährung:

Der Klimawandel verursacht Hunger und Ernährungskrisen

  • In der Landwirtschaft werden sich die Folgen des Klimawandels am stärksten bemerkbar machen. Der Klimawandel beeinflusst die Produktion von Lebensmitteln, ihre Qualität, ihren Preis und ihre Verfügbarkeit. Er ist damit ein zusätzlicher Faktor, der dem Erreichen des „Zero Hunger“-Ziels für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN-SDGs) entgegenwirkt.
  • Der Klimawandel wirkt sich über den Temperaturanstieg, die Verschiebung von Klimazonen und extreme Wetterereignisse weltweit negativ auf die Erträge von Landwirtschaft, Viehhaltung und Fischerei aus.
  • Zu einer zusätzlichen Verknappung der landwirtschaftlichen Erträge kommt es durch Ernte- und Nachernteverluste infolge der klimatisch bedingten verstärkten Ausbreitung von Schädlingen und Krankheiten.
  • Langfristig ist davon auszugehen, dass die klimawandelbedingten Verschiebungen in der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion den internationalen Handel mit Lebensmittel verändern werden.

Die bestehenden Kohlenstoffsenken wie Böden, Wälder und Ozean müssen gesichert werden

  • In den letzten Jahrzehnten haben Böden, Wälder und der Ozean etwa die Hälfte der von Menschen verursachten CO2 -Emissionen aufgenommen.
  • Es ist unsicher, wie lange Böden und Wälder noch weiter CO2 aufnehmen können. Es ist möglich, dass sich ab ca. 2050 der Effekt umkehrt und sie weiteres CO2 ausstoßen, statt es aufzunehmen, so dass sich die Erderwärmung noch verstärkt.
  • Die Fähigkeit dieser Senken, Kohlenstoff aufzunehmen, muss gesichert werden. Bei intensiver Nutzung verlieren Wälder und Böden jedoch ihre Speicherfunktion.
  • In Deutschland spielen Moorböden beim Klimaschutz eine wichtige Rolle. Landwirtschaftlich genutztes Grünland befindet sich oft auf ehemaligen Mooren. Solches Grünland macht 7 % der landwirtschaftlichen Fläche aus, verursacht jedoch 35 % der Klima-Emissionen der Landwirtschaft. Um die Senkenfunktion der Moore wiederherzustellen, ist eine weitgehende Wiedervernässung notwendig.

Das „Factsheet Klimawandel: Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten“ wird herausgegeben von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und kann hier als PDF heruntergeladen werden.

IWEKlimawandel: Ursachen, Folgen und Handlungsmöglichkeiten