Studie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?

Die im Februar 2023 veröffentlichte Studie „Foodshed München – Bewertung des Einzugsgebiets und der potenziellen Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln in München.“ von Dr. José Luis Vicente-Vicente und Dr. Annette Piorr vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V. wurde vom Bundestagsbüro Karl Bär (Die Grünen) in Auftrag gegeben. Im Zentrum der Studie steht die Frage, inwieweit sich München nachhaltig aus der Region ernähren könnte.

Aus der Zusammenfassung:

„Wie in anderen Großstadtregionen etablieren sich in München und seinem Umland zunehmend neue und flexiblere Modelle von Produktion, Organisation und Konsum, die einen stärkeren Bezug zur Region und ihren Akteuren vor Ort aufweisen. Die Politik sieht hier einen wichtigen Ansatzpunkt, geeignete Rahmenbedingungen für gesunde Ernährungsweisen, faire Ernährungsumfelder und nachhaltigere Erzeugung in der Region zu schaffen.

Ein erster Schritt für Diskussionen und politische Prozesse in diese Richtung sind Potenzialstudien, wozu Foodshed-Modellierungen gehören. Sie berechnen das theoretische Einzugsgebiet von Lebensmitteln, also den Flächenumfang der nötig ist, um die BewohnerInnen unter Berücksichtigung ihres Konsumverhaltens an Lebensmitteln verschiedener Produktgruppen aus dem direkten Umfeld zu ernähren. Wobei lokale z.B. Anbaubedingungen, Erträge und landwirtschaftliche, aber auch naturräumliche Strukturen berücksichtigt werden. Szenarien erlauben die Berücksichtigung alternativer Produktionsmethoden, veränderter Ernährungsweisen, der Beibehaltung bestehender Spezialisierung auf Sonderkulturen oder der Wiedervernässung von Moorgebieten.

Foodshed für München und Region
Die Foodshedmodellierungen dieser Studie zeigen:

  • Eine regionale Versorgung innerhalb der räumlichen Grenzen der drei Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Schwaben wäre zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung Münchens und der genannten Regionen möglich. Lässt man die für den globalen Markt relevanten Anbauflächen für Hopfen unverändert, kann theoretisch in der Region immer noch mehr produziert als lokal verbraucht werden, sowohl bei rein konventioneller (Selbstversorgungsgrad rd. 160%) als auch bei rein ökologischer Bewirtschaftung (Selbstversorgungsgrad 117%). Das theoretische Nahrungsmitteleinzugsgebiet um München hätte entsprechend einen Radius von 114km (für konventionelle Produktion) gegenüber 125 km (für ökologische Produktion).
  • Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen entlang der Wertschöpfungskette (vor und nach der Ernte, bei Aufbereitung, Weiterverarbeitung, Lagerung, Vertrieb und Handel, in Haushalten) birgt weitere signifikante Flächenpotenziale. Weniger Nahrungsmittelabfälle lassen den Foodshed-Radius um bis zu 10 km sinken, und machen Flächenpotenziale frei für entsprechende alternative Nutzungen oder den Naturschutz.

  • Ernährungsumstellung ist ein weiterer wirksamer Hebel für die Erhöhung der Flächen- produktivität. Bei einer Halbierung des Verzehrs von Lebensmitteln tierischer Herkunft, einer Verdopplung des Gemüseverzehrs und deutlich erhöhtem Anteil von Hülsenfrüchten und Nüssen in der Ernährung könnte der Selbstversorgungsgrad bei konventionellem Anbau auf 172% und bei ökologischem Anbau auf 135% steigen.

  • Die Wiedervernässung ehemaliger Moorflächen wird wegen ihrer Funktion als möglicher Kohlenstoffspeicher als Strategie zum Klimaschutz vielerorts diskutiert. Solche Flächen finden sich auch im Gebiet der drei Regierungsbezirke, die das potenzielle Nahrungseinzugsgebiet für München und Region ausmachen. Sie umfassen etwa 6% der landwirtschaftlichen Nutzfläche und weisen eine überdurchschnittliche Produktivität auf. Würde man diese Flächen aus der Nutzung nehmen und wiedervernässen, blieben die Einbussen am potenziellen Selbstversorgungsgrad im einstelligen Bereich (9,89% bzw. 7,25%).

  • Es wäre also möglich, selbst bei Wiedervernässung ehemaliger Moore, die Region aus den eigenen Flächenpotenzialen nachhaltig und divers zu ernähren, und gleichzeitig für den Weltmarkt zu produzieren, im Umfang von 10%-50% der regional abgesetzten Produktmengen (wobei Anbaugebiete für Hopfen im bisherigen Umfang und Markt agieren würden). Bei zusätzlicher Umstellung der Ernährung könnten Moorschutz und gesunde 100% regionale Ernährung sogar noch Exportpotenziale von >25% (ökologisch) – >60% (konventionell) realisieren lassen.

  • Für die Interpretation der Ergebnisse dieser Studie ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass es sich um theoretische Modellierungen handelt. Die kreisförmige Repräsentation des Flächenbedarfs für das Nahrungsmitteleinzugsgebiet (Foodshed) in den Abbildungen dieser Studie soll primär einen Eindruck der Größe des möglichen Gebietes für regionale Ernährung vermitteln, wenngleich in der Praxis die Definition von Regionalität bzw. des Einzugsgebietes für unterschiedliche Produktgruppen durchaus Sinn macht.

  • Auch ist zu berücksichtigen, dass im Vergleich von konventioneller und ökologischer Be- wirtschaftung der Flächenbedarf (der beim ökologischen Landbau höher ist) lediglich ein relevanter Aspekt ist. Auf den Umstand, dass im konventionellen System mehr Betriebsmittel (z.B. Futtermittel auf Sojabasis) andernorts hergestellt werden und dort ihren Flächenfootprint hinterlassen, häufig verknüpft mit dortigen teils unerwünschten Umweltwirkungen, konnte im Rahmen dieser Studie nicht vertieft eingegangen werden.“

Die komplette Studie können Sie hier als PFD herunterladen.

IWEStudie: Inwieweit kann sich München nachhaltig aus der Region ernähren?