Buchbesprechung: „Der Grund“ von Tanja Busse und Christiane Grefe

Buchbesprechung: „Der Grund“ von Tanja Busse und Christiane Grefe

Buchbesprechung von Wilfried Bommert

Ist doch bekannt, werden viele sagen. Konflikte um den Boden, von dem wir leben, tragen Experten nun schon seit Jahren vor. Was also ist das Neue, das dieses Buch der Journalistinnen Tanja Busse und Christiane Grefe auszeichnet, es lesenswert macht? Es ist die Zusammenschau der Trends, die die Grundlage unseres Lebens vernichten. Der Boden gehört zu den gefährdetsten und umkämpftesten Gütern auf unserem Planeten. Tanja Busse und Christiane Grefe gelingt es in ihrem Buch „Der Grund“, dies umfassend und vielseitig zu dokumentieren.

Da ist einmal der massive Verlust an Bodenfruchtbarkeit durch die Art der Bewirtschaftung. Der ist zwar spätestens seit 1930  in den USA ein Thema. Bekannt wurde er durch den Oklahoma Dust Bowl, eine riesige Staubwolke, mit der der Boden der Prärielandschaften Nordamerikas im wahrsten Sinne des Wortes weggefegt wurde. Grund war hier ein gravierender Fehler in der Bewirtschaftung.

Weltweit schwindet trotz dieser Warnung die Ackerkrume weiter.  Monokulturen der industriellen Landwirtschaft zehren an der Bodenfruchtbarkeit und tragen Verantwortung für das weltweite Artensterben. Gleichzeitig vernichtet die globale Klimakrise immer mehr fruchtbare Äcker und erschüttert damit zunehmend die Fundamente der Welternährung. Dieser Trend setzt sich durch unsere Art der Mobilität weiter fort. Autogerechte Städte fressen sich immer weiter in das Umland, neue Siedlungen suchen den Druck der Millionenstädte abzumildern, besonders rasant verschwindet der Boden in den Ländern des Südens. Raubbau an der Grundlage der Menschheit ist universal.

Auch bei uns verschlingt die Gier nach immer mehr Flächen für Autoverkehr, Wohnbebauung und Photovoltaik immer mehr Land. Investoren bereiten den Weg. Der Boden auf dem unsere Ernährung, unsere Kultur und unsere Wirtschaft fußt, ist zu einem bloßen Wirtschaftsgut geworden. Ein Handels- und Spekulationsobjekt. Besonders im globalen Süden, wo die Landnahme keine Grenzen kennt. Bodenschutzkonzepte, Bauplanungen, die im Grundgesetz verankerte Pflicht, Eigentum zum Nutzen der Allgemeinheit zu verwalten, konnten diesem stillen Exodus bisher nichts entgegensetzen. Politischen Initiativen fehlt schlicht die Durchsetzungskraft, gegen die Interessen, denen die kommende Bodenlosigkeit egal ist.

Dieses Lagebild, das die Autorinnen Tanja Busse und Christiane Grefe zeichnen, könnte finsterer kaum sein. Doch sie haben erkannt, dass die Apokalypse in Resignation endet. Von dieser Einsicht getragen ist dann auch im Schlussteil des Buches die ausführliche Darstellung von Projekten, die unter den Radar der großen Politik eine Wende markieren könnten. Land, das wieder als allgemeines Gut verwaltet wird, mit regenerativen Ideen und von Höfegemeinschaften. Zivilgesellschaftliche Ernährungsräte rücken es wieder als Quelle der regionalen Ernährung in den Mittelpunkt. Eine Gesellschaft der Kümmerer sorgt dafür, dass der Bodenschutz in allen Bereichen zum Thema wird oder zumindest werden könnte.

Gemeinwohl ist für die Autorinnen der Kernpunkt einer zukünftigen Bodenpolitik. Ein neuer Kompass, an dem sich die Politik von Berlin bis Brüssel orientieren sollte. Die Journalistinnen Tanja Busse und Christiane Grefe schlagen am Ende ihres aufrüttelnden Buches vor, nicht auf den Weitblick der Institutionen zu hoffen, sondern den Weg in und durch die Institutionen selbst zu suchen. Ihr Rezept: Rein in die Parteien, rein in die Verwaltungen, rein in die Nichtregierungsorganisationen. Weil es sich aus ihrer Sicht lohnt, „in einen guten Umgang mit dem Boden Zeit und Herzblut zu investieren“. Und weil die Kräfte der Natur stark genug sein werden, Verlorenes wieder zurückzubringen.

Dieses Pathos am Ende ihres herausfordernden Werkes wäre vielleicht gar nicht notwendig gewesen, um die Leser davon zu überzeugen, dass es für eine Neubesinnung höchste Zeit ist. Denn dafür, das zeigt uns das wichtige und lesenswerte Buch von Tanja Busse und Christiane Grefe, gibt mehr als nur einen guten Grund.

Das Buch „Der Grund“ von Tanja Busse und Christiane Grefe ist im März 2024 im Verlag Antje Kunstmann erschienen.

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Studie von Agora Agrar: Die Zukunft der Landnutzung in einer klimaneutralen EU

Studie von Agora Agrar: Die Zukunft der Landnutzung in einer klimaneutralen EU

Pressemitteilung, Berlin, 10. September 2024.

Land- und Forstwirtschaft können ihren Beitrag zur Klimaneutralität deutlich steigern und gleichzeitig Biodiversitätsschutz, Gesundheit und weitere Nachhaltigkeitsziele der EU stärken. Eine neue Studie von Agora Agrar zeigt, wo die Entwicklungspotenziale in den Sektoren liegen, und was die Politik tun kann, um sie zu realisieren.

Die bisher im Vergleich zu 2005 kaum gesunkenen Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft und landwirtschaftlich genutzten Mooren in der EU können bis Mitte des Jahrhunderts um 60 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig ist es möglich, auf den land- und forstwirtschaftlichen Flächen ausreichend Nahrungsmittel und Biomasse für die Bioökonomie zu produzieren sowie die Speicherung von Kohlenstoff in der Agrarlandschaft und im Wald zu stärken. Zudem lässt sich die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften verbessern und durch weniger Im- und mehr Exporte von Agrarprodukten ein größerer Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit leisten als bisher. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Thinktanks Agora Agrar.

Mit Beginn der neuen EU-Legislatur und im Vorfeld der Entwicklung einer strategischen Vision für Landwirtschaft und Ernährung durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen liegt mit der Studie erstmalig ein integriertes Zukunftsszenario vor, das den potenziellen Beitrag von Land- und Forstwirtschaft zu den EU-Nachhaltigkeits- und Klimazielen skizziert. Dieses Szenario basiert in wesentlichen Teilen auf einer quantitativen Analyse unter Verwendung des Simulationsmodells CAPRI.
„Land- und Forstwirtschaft können ihren Beitrag zu einer nachhaltigen und resilienten EU deutlich erhöhen, indem sie Klima- und Biodiversitätsschutz stärken. Dafür sollte diese EU-Legislaturperiode einen politischen Rahmen schaffen, der eine effiziente Flächennutzung und einen nachhaltigen Konsum fördert und Produzentinnen und Produzenten für ihre zusätzlichen Beiträge zur Nachhaltigkeit entlohnt“, sagt Co-Direktorin Christine Chemnitz von Agora Agrar.

Flächen effizient nutzen
Ein Kernelement des Szenarios ist eine effiziente Flächennutzung, die Nutzungsformen so kombiniert, dass Synergien gestärkt und Zielkonflikte entschärft werden. Dadurch werden sowohl hohe Erträge von Nahrungs- und Futtermitteln sowie anderer Biomasse erzielt als auch Gemeinwohlleistungen wie die Speicherung von Kohlenstoff in Pflanzen und im Boden sowie der Schutz von Biodiversität ermöglicht.

So haben Gehölze in der Agrarlandschaft, beispielsweise Agroforstsysteme – eine Kombination aus forst- und landwirtschaftlicher Nutzung auf landwirtschaftlichen Flächen – vielfältige Vorteile: Sie stärken neben der Biodiversität auch den Klimaschutz, indem sie Kohlenstoff in Holz und Wurzeln speichern und Biomasse produzieren, welche fossile Rohstoffe ersetzen kann. Werden Gehölze, wie im Szenario angenommen, auf etwa acht Prozent der Agrarfläche angebaut, speichern sie insgesamt bis zu 660 Mio. t CO₂. Eine Nutzung dieser Gehölze als Ersatz für fossile Rohstoffe, kann außerdem jährlich etwa 130 Mio. t CO₂-Emissionen vermeiden.

Im Bezug auf den Klimaschutz bieten trockengelegte Moorböden besonders hohe Emissionsminderungspotenziale: Auf nur etwa zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche der EU fallen rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft an. Würden etwa 80 Prozent der Flächen wiedervernässt, könnten den Berechnungen der Studie zufolge jährlich Emissionen in Höhe von etwa 70 Mio. t CO2-Äquivalenten vermieden werden. Gleichzeitig gilt es, einen Großteil der wiedervernässten Flächen produktiv zu nutzen. So kann zum Beispiel Biomasse angebaut werden, die zur Herstellung klimafreundlicher Dämm- und Verpackungsmaterialien benötigt wird. „Die Wiedervernässung ist volkswirtschaftlich sinnvoll und gleichzeitig birgt sie für die heute dort wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betriebe große Herausforderungen. Darum müssen nach
Jahrhunderten der gesellschaftlich geförderten Trockenlegung, jetzt neue Geschäftsmodelle für die nasse Bewirtschaftung entwickelt werden“, sagt Harald Grethe, Co-Direktor von Agora Agrar. „Um den Betrieben vor Ort Planungssicherheit zu geben, braucht es Prämien für die Wiedervernässung und Investitionen in die Etablierung neuer Wertschöpfungsketten.“

Schließlich zeigt das Szenario, dass weniger Ackerfläche als bisher angenommen benötigt wird, um die Biodiversität in der Agrarlandschaft zu stabilisieren. Insgesamt müssen im EU-weiten Durchschnitt nur etwa fünf Prozent der Ackerfläche reserviert werden, um Rückzugsorte für die Biodiversität auf einer Fläche von 20 Prozent der Agrarlandschaft sicherzustellen. Die im Szenario angenommenem acht Prozent Gehölze auf Agrarflächen, die Wiedervernässung von Mooren und eine weniger intensive Nutzung des Dauergrünlands sind hierfür wichtige Voraussetzungen.

Nachhaltige Nachfrage
Das zweite Kernelement des Szenarios ist eine nachhaltige Nachfrage. Faire Ernährungsumgebungen unterstützen eine stärker pflanzenbasierte Ernährung sowie die Reduktion von Nahrungsmittelabfällen. Mit der Halbierung des Konsums tierischer Produkte zur Mitte des Jahrhunderts halbieren sich im Szenario Futtermittelimporte sowie die für die Futterproduktion genutzten Flächen innerhalb der EU. Dadurch ergeben sich Chancen: Flächen können zur Produktion von Biomasse für die wachsende Bioökonomie genutzt werden. Darüber hinaus werden Gemeinwohlleistungen zum Schutz der Biodiversität ermöglicht. „Unser Zukunftsbild für die Landwirtschaft bietet vielfältige neue Einkommensmöglichkeiten. Diese ergeben sich durch die Bioökonomie, die Produktion von erneuerbaren Energien und die wachsende Nachfrage nach öffentlichen Gütern, zum Beispiel nach Kohlenstoffspeicherung. Da der geringere Konsum von Fleisch- und Milchprodukten eine Herausforderung für die tierintensiven Regionen darstellt, muss diese Veränderung politisch flankiert werden“, sagt Harald Grethe.

Ein politischer Rahmen, der Anreize für Nachhaltigkeit und Klimaschutz setzt
Damit Ernährung, Land- und Forstwirtschaft ihre Nachhaltigkeitspotenziale realisieren können, braucht es politische Rahmenbedingungen, die wirtschaftliche Chancen für die Land- und Forstwirtschaft eröffnen. Zentral sind hierbei marktbasierte Instrumente, wie etwa die Bepreisung von Treibhausgasemissionen, und staatliche Zahlungen für die Bereitstellung öffentlicher Güter, wie etwa der Speicherung von Kohlenstoff, die Erhöhung des Tierwohls oder den Schutz der biologischen Vielfalt. „Klima- und Biodiversitätsschutz haben genau wie ein hohes Tierwohl einen gesellschaftlichen Wert, der meist nicht über den Markt entlohnt wird. Deshalb ist es wichtig, staatliche Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik und andere finanzielle Mittel so zu nutzen, dass Nachhaltigkeit zu einer Einkommenschance für die Land- und Forstwirtschaft wird“, sagt Christine Chemnitz. Die aktuelle EU-Legislatur 2024–2029 bietet die Chance, den politischen Rahmen für eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft zu gestalten. Wichtige Elemente sind:

  • eine ambitionierte Klimapolitik für die Land- und Forstwirtschaft, die Ziele sowohl für die Vermeidung von Emissionen aus der Landwirtschaft als auch für die Speicherung von Kohlenstoff im Wald und in der Agrarlandschaft formuliert,
  • die Nutzung der Gelder der EU-Agrarpolitik, um die Bereitstellung öffentlicher Güter zu entlohnen,
  • ein EU-Rechtsrahmen für nachhaltige Ernährungssysteme und
  • ein Aktionsplan für die effiziente Nutzung von Biomasse in der Bioökonomie.

Insgesamt braucht es einen stärkeren Fokus auf ländliche Regionen, um sicherzustellen, dass sie von dem Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft profitieren können. Dazu kann ein EU „Rural Deal“ beitragen, der nachhaltige Wirtschaftskonzepte ermöglicht und den Ausbau moderner Infrastrukturen sowie den Zugang zu Bildungsangeboten, zur Gesundheitsfürsorge und zu kulturellen Angeboten im ländlichen Raum vorantreibt.

Die Studie „Agriculture, forestry and food in a climate neutral EU – The land use sectors as part of a sustainable food system and bioeconomy”, hat 212 Seiten und steht hier in englischer Sprache zum Download zur Verfügung.

IWEStudie von Agora Agrar: Die Zukunft der Landnutzung in einer klimaneutralen EU
Landbewirtschaftung als Klimaretter: Wie Landwirtschaft nicht nur ‘klima-neutral’ sondern ‘klima-positiv’ werden kann

Landbewirtschaftung als Klimaretter: Wie Landwirtschaft nicht nur ‘klima-neutral’ sondern ‘klima-positiv’ werden kann

Von Walter Jehne / Übersetzt und zusammengefasst von Wilhelm Wallefeld

Zur Lage
Kann die Landwirtschaft dazu beitragen, die kommenden Klimaextreme abzufedern? Kann sie sie stoppen? Sie könnte wesentlich mehr, aber dazu müsste ihre Rolle im Klimawandel neu gedacht werden. Der australische Wissenschaftler Walter Jehne, international bekannter Boden-Mikrobiologe und Innovationsstratege, sammelte seine Erfahrungen durch die Analyse von Böden, Weideland, Wald und Agrarflächen und brachte seine Erkenntnisse als Australia’s National Soil Advocate und international auf (UN-)Ebene in die Öffentlichkeit, wurde jedoch in Deutschland bisher kaum gewürdigt. Er beschreibt die Chancen für das Ausbremsen, die im Boden und der Vegetation liegen. Sie sind größer als gedacht. Wenn man sie nicht mehr auf ihre Funktion als CO2- Speicher reduziert, denn darin ist ihre Wirkung nicht nur bescheiden, sondern im Anbetracht der schnellfortschreitenden Bedrohung durch den Klimawandel fast wirkungslos.

Längst ist klar, dass die Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5C nicht zu halten sein wird. Die dazu notwendige Verringerung von CO2 bleibt illusorisch. Selbst wenn wir den Zuwachs auf ‘net zero’ bis 2050 herunterfahren könnten, würde der CO2-Gehalt in der Atmosphäre nur konstant bleiben, aber nicht fallen.

„Extinction“ – unausweichlich?
Australien alleine plant derzeit 116 Öl-, Gas- und Kohleprojekte mit einem CO2-Ausstoss von 4,4 Milliarden Tonnen (Stand Ende 2023). Und wenn zusätzlich die Bedrohung wahr werden sollte, dass die steigenden Temperaturen das in den Permafrostzonen gelagerte Methan freisetzen, wird klar, so der australische Wissenschaftler Walter Jehne, dass wir vor einer unbeherrschbaren Situation stehen und das Ende der menschlichen Zivilisation – ‘Extinction’ – unausweichlich ist.

In der Tat wird die Lage nach Auftauen der Permafrostböden gänzlich unbeherrschbar und das Klima danach könnte vielen Lebewesen auf Erden die Existenz rauben, durch Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen, Stürme und Verschieben von Klimakorridoren, die nur die wenigsten ertragen können. Einzeller und Pilze sind da gegenüber uns im Vorteil, sie können in ihren Generationsfolgen von wenigen Stunden oder Tagen schneller die Kandidaten auslesen, die Überlebenschancen haben. Das wird für den größten Teil der Menschheit mit einer Generationsfolge von 30 Jahren und bei der Geschwindigkeit der Klima-Veränderung so gut wie unmöglich sein.

Boden und Pflanzen als Rettung
Beschleunigt wird dieser Exodus durch den Verlust von Ackerkrume und die Desertifikation ganzer Regionen, durch falsch Bewirtschaftung. Die Widerstandsfähigkeit unserer Zivilisation, vor allem unseres Ernährungs- und Gesundheitssystems, nimmt rapide ab und damit die Sicherheitslage der Welt. “Sieben fehlende Mahlzeiten bestimmen den Unterschied zwischen sozialem Frieden und Chaos”. Diese Erkenntnis brachte 1978 den ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter dazu, eine Studie in Auftrag zu geben, die das Risiko eines Klimawandels durch höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre für Amerika (und die Welt) in Bezug auf Landwirtschaft, Ernährung und die globale Sicherheit einschätzen sollte.

Schon damals wurde der CO2-Anstieg bestätigt, doch der damit verbundene Temperaturanstieg galt zu dieser Zeit noch eher als vorteilhaft für die Erträge der Landwirtschaft. Spätere Modellrechnungen waren dann pessimistischer und eine Reduzierung des CO2-Ausstosses wurde Teil der politischen Agenda. Dabei wurde die Tatsache vernachlässigt, dass CO2 für den Lebenskreislauf von Pflanzen, Tieren und Menschen unabdingbar ist und in Bezug auf den Klimawandel nur ein Symptom darstellt, das so gut wie nicht auszubremsen ist. Denn um den CO2-Gehalt in der Atmosphäre konstant zu halten, müssten wir den CO2-Ausstoss um jährlich 10 Milliarden Tonnen verringern. Um ihn zu senken, um mindestens das Doppelte.

Viele hofften auf einen Ausweg durch die Ozeane. Denn sie speichern derzeit 30.000 Milliarden Tonnen CO2. Doch diese Speicherfunktion könnte sich umkehren. Denn wenn der CO2-Gehalt der Atmosphäre sinkt, könnten CO2-Speicher in den Ozeanen, die während der letzten 10.000 Jahre eingelagert wurden, wieder gelöst und an die Atmosphäre abgeben werden. Dies bis zum atmosphärischen Gleichgewicht, dem Equilibrium. Das würde alle Bemühungen und Mittel, die bisher in die Reduzierung von CO2 geflossen sind, ad absurdum führen, auch die bisher investierten 60 Milliarden US-Dollar.

Atmosphärischer Wasserkreislauf als Hebel
Die Wissenschaft weiß seit langem, dass Wasser eine bedeutende Rolle im Klimawandel spielt (90%). Das Thema wurde (damals) jedoch als zu komplex eingestuft. Walter Jehne sieht die Lösung im Boden. Er ist die absolute Voraussetzung für das Leben auf der Erde und auch die schärfste Waffe im Kampf gegen den Klimawandel. Er bestimmt den Wasserhaushalt, die Kühlung der Erdoberfläche, das Leben der Biosysteme und deren Widerstandkraft schnellen Veränderungen gegenüber.  

Laut Walter Jehne liegt unsere einzige Chance, den Temperaturanstieg nicht nur zu stoppen, sondern umzukehren, in der Wiederherstellung des globalen Wasserkreislaufs, im Grün der Pflanzen. Klingt kühn? Aber er liefert das Rezept dafür und dessen wissenschaftliche Basis. Die Idee ist einfach: Wir müssen nur das machen, was die Natur seit Millionen von Jahren gemacht hat. Vor 420 Millionen Jahren gab es Ozeane und trockenes, hartes Gestein, kein Leben an Land, nur einige komplexe Zellstrukturen in den Ozeanen, basierend auf dem Nährstoffabfluss durch die Verwitterung des Gesteins. Steine sind von Natur aus wasserabweisend. Nur durch die vom Bodenleben zurückgelassenen organischen Rückstände entstehen Lufteinschlüsse, die zu einer erheblich größeren Oberfläche führen und eine Art Schwamm (‘Soil-Carbon-Sponge’) bilden, der die Speicherung von Wasser und das Eindringen von Wurzeln ermöglicht. Als nächstes begannen Pilze von den Rändern der Ozeane in die Steine einzudringen, um Nährstoffe aus den Steinen herauszulösen.

Puffer in der Klimakrise
Pilze, wie Tiere und Menschen (heterotroph), können keinen Zucker binden und keine eigene Energie erzeugen. Das können nur Pflanzen und Algen (und einige Bakterien). Pilze und Algen gingen eine symbiotische Beziehung ein, um Flechten zu erzeugen. Flechten sind immer noch maßgeblich an der Zersetzung von Material beteiligt und lassen organischen Abfall zurück, der Wasser speichern kann und so das Pflanzenleben (Flechten > Moos > Farne > Angiospermen > Gräser) an Land ermöglicht. Diese nutzen die Photosynthese, um stabilen Kohlenstoff und Zucker im Boden zu schaffen. Bodenbildung ist die Kombination von mineralischen Partikeln und organischem ‘Abfall’. Innerhalb von 100 Millionen Jahren hat sich das Leben über 13 Milliarden Hektar eisfreien Landes ausgebreitet.

Das Resultat war eine reichhaltige Pflanzenwelt, die eine Kohlenstoffreduzierung in der Atmosphäre von 7000 ppm (vor Pflanzenleben) auf 100 ppm ermöglichte. In Steppen und Savannen entstehen Pflanzenfresser (insbesondere Wiederkäuer), die ein symbiotisches Verhältnis zu den Gräsern besitzen. Sie halten den Nährstoff-Wasser- und Methan-Haushalt auf dem Globus in der Balance.

Aus der Erdgeschichte lernen
Für Walter Jehne geht es heute darum, diesen Prozess erneut zu kopieren. Die Vegetation als wirksamstes Mittel im Kampf gegen die wachsende CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre zu nutzen, was sie schwächt. Dabei spielt die Art der Landbewirtschaftung eine zentrale Rolle. Abholzen, roden und abtöten von Vegetation, Brandrodung verstärken für Jehne die CO2-Belastung genauso wie Biozide und synthetische Dünger, intensive Bewässerung und Brache. Was entlastet, ist stete Begrünung aller kultivierbaren Landstriche der Erde. Nur eine solche Politik, in der die grünen Pflanzen den CO2-Haushalt und durch sie den Wasserhaushalt der Erde wieder ins Gleichgewicht bringen, kann Entlastung an der Klimafront bewirken. Und nur so könnte die wachsende Erdbevölkerung und die kommenden 10 Milliarden Menschen in Zukunft ernährt und die Rentabilität der landwirtschaftlichen Betriebe gesichert werden. 


Übersetzung und Zusammenfassung
Die Übersetzung und Zusammenfassung des Texte leistete Wilhelm Wallefeld. Sie beruht auf den Vorträgen „Clear Directions on regenerative Practice“ sowie „Conversations from the Edge“ von Walter Jehne.

Wilhelm Wallefeld und seine Frau Brigitte wirtschaften seit mehr als 40 Jahre als Farmer in Westaustralien. Derzeit auf ihrer  Farm in Denmark/ Westaustralien, die sie nach ökologischen Prinzipien ausgerichtet haben. Wilhelm Wallefeld ist seit 5 Jahren Vorstandsmitglied des IWE. Er verfolgt die Entwicklung der Regenerativen Landwirtschaft als Zukunftsmodell der ökologischen Landbewirtschaftung weltweit.


Hier noch einige zugrunde gelegte physikalische Gesetzmäßigkeiten und Zahlen:

  • Die ‘Keeling Kurve’ der CO2-Entwicklung: Nach Keeling werden pro Jahr 10 Milliarden t CO2 mehr emittiert als absorbiert. Der Anteil der Öl- und Gasindustrie beträgt 8 Milliarden t oder 4%. Der überwiegende Anteil beruht auf ‘natürlichen’ Prozessen.
  • Unter Anderem schlägt das Verbrennen von 350 Mio ha Wäldern mit zwischen 10 und 100 t/ha und 2 Milliarden ha Grasland mit 2 bis 5 t/ha CO2-Ausstoß erheblich zu Buche.
  • Die Schwankungen innerhalb des Jahres beruhen auf der Photosynthese/Re-Oxydation im Vegetationszyclus (grün oder braun).
  • Nach dem ‘Stefan Boltzmann Gesetz’ über Hitzeabstrahlung strahlt ein unbedeckter Boden ein Vielfaches des begrünten Bodens an Wärme zurück in die Atmosphäre.
  • Mit lebenden Pflanzen bedeckter Boden wird selten wärmer als 20C, während unbedeckter Boden (z.B. im Australischen Sommer) bis zu 70C heiß werden kann.
  • Die Sonneneinstrahlung und die Reflexion sind wegen der Klimagase in der Atmosphäre aus der Balance: Die Einstrahlung ist 342 W/sqm und die Rückstrahlung ist wegen der Klimagase nur 339 W/sqm. Die Differenz von 3 W/sqm trägt zum Temperaturanstieg bei.
  • Andererseits gilt: 1 ha Wald transpiriert 40.000 l Wasser, dessen Umwandlung in Wasserdampf bedarf 590 cal/l und trägt so erheblich zum Kühlprozess unseres Planeten bei.                                                  
  • Eine hohe Wärmeabstrahlung über Trockenregionen verursacht einen Hitzekegel, der verhindert, dass feuchte Luft (und damit Niederschläge) vom Meer ins Inland gelangt.
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Filmtipp: Common Ground

Filmtipp: Common Ground

Der Dokumentarfilm „Common Ground“ (2023) zeigt die Auswirkungen der US-amerikanischen Agrarpolitik und portraitiert Bäuerinnen und Bauern, die regenerative Landwirtschaft nutzen, um die Bodengesundheit wiederherzustellen und zu stärken, Artenvielfalt zu fördern und Ernährungssicherheit zu gewährleisten. „Common Ground“ wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Human/Nature Award“ des Tribeca Film Festivals, und ist die Fortsetzung des Dokumentarfilms „Kiss the Ground“ (2020), den weltweit über eine Milliarde Menschen gesehen haben. Regie führten die Umweltaktivist:innen Rebecca und Josh Tickell, zum Cast gehören u.a. Laura Dern, Jason Momoa, Rosario Dawson, Woody Harrelson, Ian Somerhalder, und Donald Glover.

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Jung & Naiv: Friedhelm Taube über die Zukunft der Landwirtschaft

Jung & Naiv: Friedhelm Taube über die Zukunft der Landwirtschaft

Gut, man muss etwas Zeit mitbringen, aber dieser Wissenschaftler versteht es wirklich, komplexe Zusammenhänge verständlich zu erklären. Was Professor Friedhelm Taube uns über die Zukunft der Landwirtschaft, jenseits ideologischer Grabenkämpfe und kurzsichtiger Klientel-Politik zu sagen hat, ist erhellend und verstörend zugleich. 

Erhellend, weil er Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, wie man Klima- und Ernährungskrise begegnen kann, verstörend, weil sich die Politik so gar nicht darum schert. Hochachtung an Friedhelm Taube für seine Frustrationstoleranz angesichts dieser Tatsache und Dank an Tilo Jung, der solche Einblicke mit seinem Format „jung & naiv“ möglich macht.

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Gegen die Mutlosigkeit: Der kritische Agrarbericht 2024

Gegen die Mutlosigkeit: Der kritische Agrarbericht 2024

Der vom AgrarBündnis e.V. herausgegebene kritische Agrarbericht 2024 mit dem Schwerpunkt „Tiere und die Transformation in der Landwirtschaft“ ist in Zeiten wütender und eher rückwärtsgewandter Bauernproteste so aktuell und wohl auch so nötig wie selten zuvor. Für die Herausgeber steht fest: „Die Fortschreibung des bisherigen Trends mit intensiver Tierhaltung und immer größeren Ställen ist keine Lösung: Die notwenige Transformation hin zu einer für Mensch und Tier gesunden, gerechten, gentechnikfreien, umweltverträglich und für die Bauern wirtschaftlich tragfähigen Landwirtschaft muss schnell und zukunftsfest kommen.“

In insgesamt 7 Kapiteln, von „Agrarpolitik und soziale Lage“, über „Welthandel und -Ernährung“ und „Tierschutz und Tierhaltung“ bis hin zu „Ökologischer Landbau“ und „Gentechnik“ blättert der Bericht vor dem Hintergrund der europäischen und weltweiten Agrarpolitik die wesentlichen Aspekte des komplexen Themas Transformation der Landwirtschaft auf. Besonders erfreulich ist dabei, dass die insgesamt rund 50 fundierten Beiträge nicht nur das derzeitige Agrarsystem kritisieren, sondern auch einleuchtende und mutige Konzepte, Ideen und gelungene alternative Praxisbeispiele vorstellen. Damit wird der Bericht eine wahre Fundgrube und ein fachliches Kompendium für alle, die in der aktuellen Debatte um die Landwirtschaft überzeugend für den längst überfälligen Wandel eintreten wollen.

Der Kritische Agrarberichtes 2024, 343Seiten, 27 Euro ist zu bestellen beim: ABL Bauernblatt Verlag, Telefon: 02381 492288 oder E-Mail: verlag@bauernstimme.de

Auf Anfrage beim ABL Verlag gibt es den Kritischen Agrarbericht2024 auch gegen eine Spende als Download.

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Vortrag: „Aufbauende Landwirtschaft“ von Stefan Schwarzer

Vortrag: „Aufbauende Landwirtschaft“ von Stefan Schwarzer

Der Physische Geograf, Permakultur-Designer und Autor Stefan Schwarzer war mehr als zwanzig Jahre für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen in Genf tätig. Den Vortrag zum Thema „Aufbauende Landwirtschaft“ präsentierte er bei der Mitgliederversammlung des Instituts für Welternährung im Januar 2024.

Auch interessant zum Thema aufbauende Landwirtschaft: Das Video „100 l Wasser je Quadratmeter versickern in 5 Minuten“ von Dipl.-Ing.agr. Ernst Hammes, IWE-Mitglied und ehemaliger Landwirtschaftsberater:

IWEVortrag: „Aufbauende Landwirtschaft“ von Stefan Schwarzer
Globale Agrar- und Ernährungswende würde volkswirtschaftliche Gewinne von 5 bis 10 Billionen US-Dollar erzielen

Globale Agrar- und Ernährungswende würde volkswirtschaftliche Gewinne von 5 bis 10 Billionen US-Dollar erzielen

Pressemitteilung PIK, 29.1.2024

Eine umfassende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme auf der ganzen Welt würde zu sozioökonomischen Gewinnen in Höhe von 5 bis 10 Billionen US-Dollar pro Jahr führen – das zeigt ein neuer globaler Bericht, der von führenden Forschenden der Ökonomie und aus der Food System Economics Commission (FSEC) erstellt wurde. Die bisher umfassendste Studie zur Ökonomie von Agrar- und Ernährungssystemen macht deutlich, dass diese derzeit mehr Wertschöpfung zerstören als sie hervorbringen und dass eine Überarbeitung der politischen Rahmenbedingungen für Ernährungssysteme dringend erforderlich ist. Darüber hinaus wären die Kosten einer Transformation viel geringer als der potenzielle Nutzen, der vielen Hundert Millionen Menschen ein besseres Leben ermöglichen würde.

„Die Kosten, die dadurch entstehen, dass wir das schlecht funktionierende Ernährungssystem nicht aktiv umgestalten, werden die Schätzungen dieses Berichts vermutlich noch übersteigen, da sich die Welt weiterhin auf einem extrem gefährlichen Kurs befindet. Wir werden wahrscheinlich nicht nur die 1,5°C-Grenze überschreiten, sondern auch mit einer jahrzehntelangen Überschreitung konfrontiert sein“, erklärt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und FSEC-Initiator. „Der einzige Weg, um dann wieder auf 1,5°C zu kommen, ist der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, die Bewahrung der Natur und die Umwandlung der Agrar- und Ernährungssysteme von einer Quelle für Treibhausgase hin zu einer Senke. Damit hängt die Zukunft der Menschheit auf der Erde von diesem globalen Ernährungssystem ab“, fügt er hinzu. 

Ernährungssysteme als wirksames Mittel, um 174 Millionen Menschen vor vorzeitigem Tod zu bewahren

 Der Bericht liefert die bisher umfassendste Modellierung der Auswirkungen von zwei möglichen Zukunftsszenarien für das globale Ernährungssystem: unseren derzeitigen Pfad der aktuellen Trends und den Pfad der Transformation des Ernährungssystems. Für den Pfad „Aktuelle Trends“ skizziert der Bericht, was bis 2050 passieren würde, selbst wenn die politischen Entscheidungsträger alle derzeitigen Verpflichtungen einhalten: Die Ernährungsunsicherheit wird in einigen Teilen der Welt immer noch dazu führen, dass 640 Millionen Menschen (darunter 121 Millionen Kinder) unterernährt sind, während die Fettleibigkeit weltweit um 70% zunehmen wird. Die Ernährungssysteme werden weiterhin für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sein und so auch bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Erwärmung von 2,7 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten beitragen. Zudem wird die Nahrungsmittelproduktion zunehmend anfällig für den Klimawandel, da auch die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen drastisch zunehmen wird.

Der FSEC-Bericht stellt zugleich fest, dass das Ernährungssystem stattdessen einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten und Lösungen für Gesundheits- und Klimaprobleme vorantreiben könnte. Auf dem Pfad zur Transformation des Ernährungssystems zeigen die Ökonominnen und Ökonomen, dass bis 2050 bessere Strategien und Maßnahmen dazu führen könnten, Unterernährung zu überwinden und insgesamt 174 Millionen Menschen vor einem vorzeitigen Tod durch ernährungsbedingte chronische Krankheiten zu bewahren. Die Ernährungssysteme könnten bis 2040 zu Netto-Kohlenstoffsenken werden und so dazu beitragen, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf unter 1,5 Grad zu begrenzen, zusätzliche 1,4 Milliarden Hektar Land zu schützen, die Stickstoffüberschüsse aus der Landwirtschaft fast zu halbieren und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Darüber hinaus könnten 400 Millionen Beschäftigte in der Landwirtschaft auf der ganzen Welt ein ausreichendes Einkommen erzielen.

„Die Kosten für diese Transformation – schätzungsweise 0,2 bis 0,4 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung pro Jahr – sind gering im Vergleich zu den Vorteilen, die sich daraus ergeben würden und die wirtschaftlich mehrere Billionen Dollar pro Jahr ausmachen. Ernährungssysteme haben ein einzigartiges Potenzial, um globale Klima-, Umwelt- und Gesundheitsprobleme gleichzeitig anzugehen – und damit Hunderten von Millionen Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen“, sagt Hermann Lotze-Campen, FSEC-Kommissionsmitglied und Leiter der Forschungsabteilung „Klimaresilienz“ am PIK.

„Anstatt unsere Zukunft mit einer Hypothek zu belasten und steigende Kosten anzuhäufen, die zu hohen versteckten Gesundheits- und Umweltkosten führen, sollten sich die politischen Entscheidungsträger der Herausforderung der Agrar- und Ernährungswende stellen. Jetzt müssen Veränderungen vorgenommen werden, die kurz- und langfristig weltweit enorme Vorteile bringen werden“, sagt Ottmar Edenhofer, PIK-Direktor und FSEC-Ko-Vorsitzender. „Dieser Bericht sollte die dringend benötigte Diskussion zwischen den wichtigsten Interessengruppen darüber anstoßen, wie wir diese Vorteile nutzen können, ohne jemanden zurückzulassen“, erklärt er abschließend.


Die Food System Economics Commission (FSEC) ist eine unabhängige akademische Kommission, die politische und wirtschaftliche Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger mit Instrumenten und Fakten ausstatten soll, um die Ernährungs- und Landnutzungssysteme zu verändern. Sie bringt führende Expertinnen und Experten aus den Bereichen Klimawandel, Gesundheit, Ernährung, Landwirtschaft und natürliche Ressourcen zusammen und umfasst Organisationen wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, die Weltgesundheitsorganisation, die Weltbank, die London School of Economics, das World Resources Institute Africa und viele andere. Der FSEC Global Policy Report baut auf jahrelangen Studien auf, einschließlich des EAT-Lancet-Berichts. Der Report betrachtet den Wandel der Ernährungsysteme nicht nur unter dem Gesichtspunkt der ökologischen Nachhaltigkeit, sondern auch der globalen Gesundheit, Ernährung, wirtschaftlichen Entwicklung und sozialen Eingliederung.

Hier geht es zum FSEC Global Policy Report „The Economics of the Food System Transformation“.

IWEGlobale Agrar- und Ernährungswende würde volkswirtschaftliche Gewinne von 5 bis 10 Billionen US-Dollar erzielen

Bodenatlas 2024

Der Boden unter unseren Füßen ist ein wahres Multitalent. Er ist der artenreichste Lebensraum unserer Erde, er speichert gigantische Mengen Klimagase und Wasser, ernährt Mensch und Tier, lässt Blumen blühen und Bäume wachsen. Der Boden ist eine lebenswichtige Ressource – und er ist bedroht. Rund 60 Prozent der Böden in der EU sind geschädigt, gestern noch fruchtbarer Humus trocknet aus, verwandelt sich in Steppe und Wüste, immer mehr Böden werden für den Bau von Infrastruktur versiegelt. Konflikte um knapper werdendes Land nehmen zu. Der Bodenatlas 2024 beleuchtet nicht nur die Folgen des weltweiten Verlusts an fruchtbarem Boden, sondern zeigt auch die Potentiale nachhaltiger und gerechter Bodennutzung für den Klimaschutz und die Artenvielfalt. Der Bodenatlas ist als kostenlose Online- und als Printausgabe verfügbar – außerdem gibt es dazu noch eine spannende Podcast-Reihe.

Der Bodenatlas 2024 ist ein Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung,
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. und TMG – Think Tank for Sustainability, TMG Research gGmbH.

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Kino-Tipp: Der Dokumentarfilm „Holy Shit“ von Rubén Abruña

Kino-Tipp: Der Dokumentarfilm „Holy Shit“ von Rubén Abruña

Was geschieht mit der Nahrung, die wir verdauen, nachdem sie unseren Körper verlassen hat? Ist es Abfall, der weggeworfen wird, oder eine Ressource, die wiederverwendet werden kann? Auf der Suche nach Antworten begibt sich der Regisseur Rubén Abruña in seinem Dokumentarfilm „Holy Shit“ auf eine investigative und unterhaltsame Suche durch 16 Städte auf 4 Kontinenten. Er folgt der Fäkalienspur von den langen Pariser Abwasserkanälen bis zu einer riesigen Kläranlage in Chicago. Die vermeintliche, weltweit angewandte Lösung, die halbfesten Überreste der Kläranlage als Dünger zu verwenden, erweist sich als wahrer Albtraum, denn sie enthalten Schwermetalle und giftige PFAS-Chemikalien.

Können Ausscheidungen für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden und die drohende Düngerknappheit lindern? Rubén Abruña trifft die Poop Pirates aus Uganda, die mit ihrer Arbeit und ihren Liedern den Menschen beibringen, wie sie Fäkalien in sicheren Dünger verwandeln können. Im ländlichen Schweden zeigt ihm ein Ingenieur eine Trockentoilette, die aus Urin Dünger herstellt. In Hamburg und Genf entdeckt er Wohnkomplexe mit dezentralen Kläranlagen, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind und aus menschlichen Exkrementen Strom und Dünger erzeugen.
Am Ende findet der Regisseur Lösungen für die Wiederverwendung menschlicher Ausscheidungen, die die globale Ernährungssicherheit, den Umweltschutz und die Hygiene verbessern und den Klimawandel eindämmen.

Mit seinem Dokumentarfilm „Holy Shit“, der am 30. November bundesweit in den Kinos gestartet ist und durch den Christoph Maria Herbst als Sprecher führt, bringt Regisseur Rubén Abruña ein großes Tabu auf die Kino-Leinwand – und widmet sich einem wichtigen Thema, das die Menschheit vor immer größere Herausforderungen stellen wird. Kläranlagen sind überfordert und in die Natur gelangen immer öfter giftige Rückstände.

Können wir menschliche Fäkalien sinnvoll recyceln – und damit die Welt nachhaltig verbessern? Abruña macht sich auf die spannende Suche nach Antworten, wie dabei sowohl die Ernährungssicherheit als auch der Umweltschutz verbessert werden können und zeigt, dass etwas passieren muss. Denn so wie bisher kann und darf es nicht weitergehen.

Filmstill: Luftaufnahme der Kläranlage „Stickney Water Reclamation Plant“ in Chicago/USA, (c) Thurn Film

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