Der wahre Preis von Lebensmitteln

Anna Behrend über Trucost und einen möglichen Geldwert der Natur

Foto: Brandon King

Deutsche Supermärkte sind prall gefüllt mit einer großen Auswahl an heimischen und exotischen Produkten und das alles zu Preisen, von denen andere Länder träumen. Doch das Schlaraffenland funktioniert nur vor einer Kulisse, einer Art Potemkinsches Dorf, hinter denen nicht nur Lebensmittelverschwendung und Massentierhaltung gedeihen, sondern auch die weniger offensichtliche Erschöpfung essentieller Ressourcen.

Bio-Erdbeeren aus Spanien im April für 1,99 Euro. Angereifte Avocados für 89 Cent das Stück – eingeflogen aus Peru, Kenia, Chile, Mexiko. Aldi wirbt mit dauerhaft reduzierten Milchprodukten, während es die Milchkrise deutscher und europäischer Betriebe kaum auf Seite 2 der Tageszeitungen schafft.

„Was die Banane, das Steak oder der Brotlaib kosten, bestimmen vor allem Angebot und Nachfrage, manchmal auch Subventionen, Quoten oder Spekulationen. Was nicht im Preis steckt, sind Leistungen, die der Natur bei der Herstellung abgerungen werden. Das kann zum Beispiel die Entnahme von sauberem Wasser sein oder die Nutzung von fruchtbarem Ackerland. Auch für den Ausstoß von schädlichen Chemikalien, Gasen oder luftverschmutzenden Partikeln bei der Produktion zahlen in der Regel weder der Produzent noch der Verbraucher.“ schreibt Anna Behrend im Spiegel-Artikel Massenkonsum: Der wahre Preis von Lebensmitteln, der zahlreiche Modellrechnungen visualisiert.

Ökologische und gesundheitliche Langzeitfolgen, die durch Emissionen, Bodenerosion und Wasserverbrauch entstehen, stecken in den Lebensmittelpreisen kaum oder gar nicht drin. Während in Ländern des globalen Südens bis zu 80 % des Haushaltsbudgets für Nahrungsmittel ausgegeben werden, liegt Deutschland mit 12,8 % selbst in Europa weit unterm Durchschnitt (22,6 %).1

Die Firma Trucost (UK) hilft Unternehmen, Berechnungen und mathematische Modelle zu erstellen, die die Kosten für Umweltzerstörung einbeziehen. „Wir sorgen dafür, dass der Wert von natürlichen Systemen anerkannt wird“, sagt Firmenchef Richard Mattison. Wirtschaftliche und ökologische Anforderungen sollen so besser aufeinander abgestimmt werden.

George Monbiot, Guardian-Kolumnist, Umweltaktivist und Autor des soeben erschienenen Buches How Did We Get into This Mess? Politics, Equality, Nature (London: Verso, 2016) hält dies jedoch für den falschen Weg: „Auf diese Weise wird man die Natur nicht vor den Verwüstungen der Wirtschaft schützen“, kritisiert er den Ansatz. Es handele sich dabei nur eine abgewandelte Variante, Ressourcen und Umwelt weiterhin der Wirtschaft zu unterwerfen. Konsequenter wäre es seiner Meinung nach, die Natur nicht wirtschaftlich messen zu wollen: „Die Idee des natürlichen Kapitals stärke lediglich die Macht jener, die Geld haben.“2

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