Der Gastbeitrag von IWE-Sprecher Wilfried Bommert erschien in Der Freitag, Ausgabe 29/2018
Mit jedem Tag ohne Regen schwindet auf den Feldern die Zuversicht: Eine Missernte steht bevor. Beginnen die mageren Zeiten? Oder handelt es sich um einen Ausrutscher der Natur, ein ganz normales Risiko, das die Landwirtschaft schon immer tragen musste? Für den Bauernverband ist es genau das: ein Betriebsunfall, der sich durch Versicherungen und Steuernachlass schultern lässt. Für die Klimawissenschaft ist es Folge des neuen Klimas, mit dem wir in Zukunft rechnen müssen. Ein Klima, auf das die Landwirtschaft ganz besonders im Osten der Republik nicht vorbereitet ist.
Die Risiken der gängigen Agrarmethoden werden übersehen. Dabei liegen sie auf der Hand: Es sind die riesigen Felder, die mit immer gleichen Pflanzen bestellt werden. Es sind die Hochleistungspflanzen, die für ihre Höchstleistung viel Wasser brauchen – für ein Kilo Getreide mehr als 1.500 Liter. Es ist die Unbedachtheit, mit der der nackte Boden in Herbst und Winter Sturm und Regen ausgesetzt wird. Die Folge: Bodenerosion, der fruchtbare Humus verschwindet vom Acker, und damit seine Speicherfähigkeit für Regenwasser.
Dabei wäre Anpassung an die kommenden Extreme möglich. Sie verlangt eine grundsätzlich andere Zielsetzung: nicht kurzfristige Höchsterträge, sondern langfristige Stabilität. Und die beginnt beim Boden, der mehr ist als der Halt für Pflanzenwurzeln. In einer Hand voll Boden leben mehr Lebewesen als Menschen auf der gesamten Erde. Sie bilden eine höchst produktive Allianz für alles, was auf dem Acker wächst. Das ist die Grundlage für stabile Ernten. Doch Bodenleben braucht organische Nahrung, Mist und Kompost aus Pflanzenresten. Daraus entsteht der Humus, der den Regen speichern kann. Das Rezept der Industrielandwirtschaft – Kunstdünger, synthetischer Stickstoff und Pestizide – ist für dieses Leben Gift.
Der zweite Schritt zur Stabilität gegenüber Klimaextremen ist das, was auf den Feldern ausgesät und angebaut wird. Keine Monokulturen! Wichtig ist Vielfalt, ein Gemisch von Pflanzen mit unterschiedlichen Eigenschaften, die sich Jahr um Jahr gegenseitig stützen. Solche Fruchtfolgen bilden strategische Allianzen zwischen Pflanzen und Boden und sorgen dafür, dass Dürren abgefedert werden können. Schließlich braucht es Schatten durch Hecken und Zwischenfrüchte, die den Acker bedecken und verhindern, dass die Sonne schon im März die Äcker aufheizt und austrocknet und damit schon im Frühling die Ernte in Frage stellt.
Doch wer heute durch die Dürreregionen zwischen Leipzig und Rostock fährt, sieht: Es fehlt an Stabilität. Die Botschaft, dass klimaverträgliche Landwirtschaft andere Wirtschaftsweisen verlangt, ist dort nicht angekommen. Wird sie überhaupt ankommen? Sie erfordert eine grundsätzliche Kehrtwende vor allem in den Köpfen der Bewirtschafter, die begreifen müssten, dass Agrikultur nicht Ausbeutung, sondern Bewahren heißt. Dass nur Vielfalt die kommenden Wetterextreme abpuffern kann. Dass zukunftsfähige Landwirtschaft eine Frage des biologischen Wissens und ökologischen Verstehens ist und nicht von Megatechnik, Höchstleistungssorten, Chemie.
Ein „Weiter-wie-bisher“ ist keine Option, das hat der Weltagrarrat schon 2008 der Agrarpolitik ins Stammbuch geschrieben. Die Dürre 2018 lässt uns erahnen, was der Klimawandel für uns bedeuten wird. Eine Botschaft, die von der Landwirtschaft verstanden werden muss. Wenn nicht, gehen wir mageren Zeiten entgegen.
Foto: Rockin’Rita / Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)