Bio kein Exportschlager

Der folgende Beitrag von IWE-Vorstand Wilfried Bommert wurde in der Zeitschrift Ökologie & Landbau veröffentlicht.

Das Ökokonzept der Industrieländer baut auf funktionierende Institutionen, Wohlstand und Wissen auf – wo Korruption und Armut zum Alltag gehören, ist es keine Option. Eine ökologisierte Landwirtschaft hingegen schon.

Hinderlich für einen „Exportschla­ger Bio“ ist nicht nur die erfor­derliche Zertifizierung und die damit verbundene stete Prüfung und Etikettie­rung, die der Expertise bedarf und viel Geld verschlingt. Hinderlich ist auch, dass die meisten Bäuerinnen und Bauern im Globalen Süden arm sind und die landwirtschaftlichen Organisationen ebenso desolat wie die staatliche Verwal­tung. Hinzu kommt das fehlende Ver­ trauen in öffentliche Kontrolle, wo Vetternwirtschaft und Bestechung zum Alltag gehören. Das Biokonzept der Industrieländer setzt auf Vertrauen, Wohlstand und Expertise, deshalb kann es kein Exportmodell werden.

Die Mehrheit der Menschen im Globalen Süden lebt in Armut. Die Kundschaft auf den Märkten kann nur mit Kleingeld be­zahlen. Auch wenn sie rasend schnell wachsen, in den Megastädten des Südens entstehen keine Wohlstandsblasen. Ihr Wachstum ist die Folge von Landflucht, von bewaffneten Konflikten, von Hunger und Unterdrückung. Was hier nottut, ist nicht EU­Öko, sondern ein robustes ökologisches System, das sichere und preiswerte Ernährung vor Ort schafft. Urbane Gärten, die in Form von Genos­senschaften und ohne Pestizide und Kunstdünger bewirtschaftet werden, so wie sie in den Städten Kubas und auch in Argentinien anzutreffen sind.

Oder auch eine stadtnahe ökologische Kleinlandwirtschaft, wie sie unter der Regierung Lula in Brasilien propagiert wurde und auch heute noch über lokale Märkte und ein Netz von „Restaurante Popular“ die Armen Brasiliens speist. Dazu gehören auch die Haus-­ und Bauerngärten, die mit ihrer Vielfalt an Gemüse und Obst die Märkte in Afrika versorgen. Das „System of Rice Intensification“ gehört ebenfalls zu den ökologischen Vorbil­dern. Es verzichtet auf synthetischen Stickstoff und Pestizide, lässt die Nass­phase des Reisanbaus ausfallen, verzichtet auf die Hälfte des sonst üblichen Was­sers sowie auf den klimaschädlichen Methanausstoß.

„Push and Pull“ heißt ein anderes agrarökologisches System, das erfolgreich auf den Maisfeldern die Fressfeinde fernhält. Und schließlich Agroforstwirtschaft, das ökologische Zu­sammenwirken von Bäumen und Land­wirtschaft. Es ist im indischen Hochland zu Hause und sorgt dort für sichere Er­träge. Das alles ist ökologische Landwirt­schaft in ihrer globalen Vielfalt, aber ohne Zertifikat. Und sie steht für das, was der Weltagrarbericht bereits 2008 forder­te: eine agrarökologische Evolution.

Das Konzept der Agrarökologie wird die Zukunft der Welternährung bestimmen. Es umfasst nicht nur die Ökologie der Bewirtschaftung und ihrer Umwelt­folgen, sondern auch das Zusammenwir­ken mit der Natur, den Menschen und ihren Kulturen. Auch wenn die Ertrags­kraft der agrarökologischen Systeme ger­ne von der konventionellen Seite herab­ gesetzt wird, besitzen sie mehr Potenzial als bisher angenommen. Das Internatio­nal Panel of Experts on Sustainable Food Systems (IPES­-Food) stellte 2016 fest, dass durch agrarökologische Evolution eine Steigerung der Erträge um bis zu 80 Prozent möglich sei. Olivier De Schut­ter, der UN­Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, kam schon 2011 zu dem Ergebnis, dass agrarökologische Methoden die Ernten besonders in afrikanischen Staaten verdoppeln könnten.

Unberücksichtigt dabei sind Forschung und Ausbildung, die zusätzliches Poten­zial erschließen könnten, denn die öko­logische Agrarforschung liegt in den Ländern des Südens ebenso danieder wie die landwirtschaftliche Fachausbildung. Was fehlt, ist Geld, vor allem das des Glo­balen Nordens. Das fließt noch immer vor allem in agroindustrielle Großkon­zepte. Wenn Europa im Globalen Süden ökologisch ins Spiel kommen will, dann nicht mit seinem EU­Ökomodell, son­dern mit einer grundlegenden Ökologi­sierung seiner Agrarwirtschaft als Vor­bild für die Welt. Darin liegt die europäische Herausforderung und die der deutschen Präsidentschaft.

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