Die Schlange der Traktoren wollte kein Ende nehmen. Doch es ist keine Machtdemonstration, die sich da in Bonn und anderswo abspielte. Es war der Zug der Verzweifelten, von denen viele keine Zukunft mehr sehen. Der einst sichere Boden, auf dem sie wirtschafteten, schwankt. Die Hypotheken, die sie für größere Viehherden, größere Ställe, größere Maschinen aufgenommen haben, lasten schwer.
Sie spüren die Grenzen ihres Wirtschaftens immer deutlicher. Nitrat im Grundwasser, ein Drittel überbelastet. Artensterben in der Feldflur, drei Viertel aller Insekten verschwunden. Der dramatische Abwärtstrend bei Rebhuhn, Kiebitz und Feldlerche sendet ein Signal. Monotonie auf den Äckern, 95 Prozent der Pflanzenvielfalt abgeschrieben. Der Boden unter ihren Füssen, die Hälfte davon die Fruchtbarkeit verloren. Die Wasserreserven im Untergrund, zu mehr als 50 Prozent ausgepumpt. Und die Klimagase, die unsere Atmosphäre und die unserer Kindeskinder zerstören, ein Viertel kommt aus der Landwirtschaft, vor allem aus der Tiermast. Klimagase, die sie selbst spätestens seit dem Sommer 2018 zu spüren bekommen mit Hitze, Dürre, Überflutungen und Missernten. Ist es Bauernbashing, wenn offen ausgesprochen, was wissenschaftliche Gutachten nicht erst seit gestern dem gängigen System der Intensivlandwirtschaft ins Stammbuch schreiben?
Nein, Bäuerinnen und Bauern, die in Bonn und anderswo auf die Straße gegangen sind, die zornig, verzweifelt, hoffnungslos und betroffen sind, sollten erkennen, dass sie die Opfer eines aus den Fugen geratenen Systems sind. Des Systems der industriellen Landwirtschaft, das seine Grenzen erreicht und die Grenzen unseres Planten schon vielfach überschritten hat. Es ist dieses System, dem die Empörten bisher vertrauen, und das sie an den Rand des Erträglichen gebracht hat.
„Weiter so“ ist keine Option mehr. Was not tut, ist ein grundlegender Wandel, eine neue Vision. Bäuerinnen und Bauern, die wieder für ihre Mitmenschen pflügen, säen und ernten. Die fair zu ihren Tieren sind. Die Vielfalt zum Geschäftsmodell machen, auf ihren Äckern und in ihren Ställen. Die den Boden wertschätzen, die Wasserreserven schonen, Klima und Artenvielfalt erhalten. Und die wieder Anerkennung genießen von ihren Mitmenschen für das, was sie auf ihren Höfen tun.
Das Gefühl sagt uns: Ja, das wäre die Vision für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, eine Ernährungswende! Der Verstand sagt uns, dass es dazu keine Alternative gibt!